„Ich finde es spannend, aus der Komfortzone herauszukommen“

Eben noch im 3×3-Sommer unterwegs, inzwischen mitten in der Saison 2022/23 mit ihrem neun Team in Ungarn, und nun mit der Nationalmannschaft vor zwei EM-Quali-Spielen: Für Ama Degbeon gibt es derzeit nur wenige Verschnaufpausen.

Aktuell weilt Ama Degbeon beim Lehrgang der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Am Donnerstag geht es für das Team von Bundestrainer Walt Hopkins in Weißenfels in der EM-Qualifikation gegen Tabellenführer Bosnien und Herzegowina, am Sonntag wartet in Skopje das Spiel gegen Gastgeber Nordmazedonien (beide Spiele gibt es live und kostenfrei auf dem YouTube-Kanal der FIBA zu sehen). Mit zwei Siegen möchte sich das DBB-Team (aktuell: ein Sieg, eine Niederlage) in eine gute Ausgangsposition für das Erreichen des im kommenden Jahr anstehenden Turniers in Israel und Slowenien bringen.

Degbeon stieß aus Ungarn zur DBB-Auswahl, denn sie steht seit einigen Wochen in Diensten von BKG Prima Szigetszentmiklos. Über ihren Agenten erhielt sie das Angebot des Newcomer-Teams. Der ungarische Klub stammt aus einer Vorstadt von Budapest und ist dabei, sich in der ersten Liga zu etablieren. „Vergangene Saison haben sie schon als Aufsteiger den Klassenerhalt gefeiert“, berichtet Degbeon.

„Wir wollen hier etwas aufbauen“

Nun möchte die 26-Jährige dem Team dabei helfen, mehr zu erreichen. Der Start in die Saison missriet mit sieben Niederlagen aus den ersten sieben Spielen zwar, jüngst gelangen jedoch die ersten beiden Saisonsiege, womit schon die Vorjahresmarke – der Verein rettete sich im Frühjahr erst in der Abstiegsrunde – erreicht ist. Beim zurückliegenden 77:69-Erfolg bei TSFE-MTK Budapest erzielte Degbeon 22 Punkte – nach acht Einsätzen (Durchschnitt: 14 PpG) ihr bisheriger Topwert in Ungarn. „Wir wollen hier etwas aufbauen“, beschreibt Degbeon die Ambitionen des Vereins, sich mittelfristig in der ersten Liga zu etablieren.

Sie selbst steht auch für Pioniergeist, denn sie ist die einzige Deutsche in der gesamten Liga. Zwei US-amerikanische Mitspielerinnen hat sie bei Szigetszentmiklos, ansonsten trainiert und spielt sie mit Ungarinnen. Das Niveau der Liga sei nicht zuletzt aufgrund einiger EuroLeague- und EuroCup-Teams hoch.

„Ich finde es seit jeher spannend, aus der Komfortzone herauszukommen“, erklärt die als Power Forward und Centerin einsetzbare Degbeon einen Antrieb dafür, dass sie in ihrer Profilaufbahn schon einiges erlebt hat. Strenggenommen schon bevor diese richtig gestartet ist. Denn nachdem die gebürtige Berlinerin in Marburg als Teenagerin ihre erste – und bisher einzige – Saison als Akteurin in der DBBL absolviert hatte, ging sie dank eines Stipendiums nach Florida.

In dem für sein sonniges und warmes Wetter bekannten US-Bundesstaat am Golf von Mexiko studierte sie an der Florida State University der Hauptstadt Tallahassee vier Jahre lang Biologie und erlernte die US-amerikanische Spielweise des dortigen Nationalsports. „Ich war im vergangenen Sommer nochmal dort und habe mich mit meinen ehemaligen Coaches ausgetauscht – einige damalige Mitspielerinnen spielen inzwischen auch professionell in Europa“, berichtet sie von einer auch im Nachhinein noch prägenden Zeit, in der sie erwachsen wurde.

Im Sommer 2018 ging es zurück nach Deutschland. Doch anstatt in der Heimat zu bleiben, zog es Degbeon direkt weiter nach Umea. In der schwedischen Stadt, die schon relativ weit nördlich liegt, hatte sie sich in ihren drei Jahren sehr gut eingelebt und laut eigener Aussage „wie zu Hause“ gefühlt. Gleich in ihrer ersten Saison holte sie den Meistertitel mit A3 Basket Umea. In der schwedischen Liga liegt der Fokus mehr auf dem Spielerischen als in Ungarn. „Es wurde mir an sich leicht gemacht, dort anzukommen, weil fast alle sehr gut Englisch sprechen“, spricht Degbeon über ihren Karriereweg nach Schweden.

Ohne die Sprachbarriere gelang es ihr dort leicht, die Menschen kennenzulernen. Zudem lebte es sich in Umea deutlich entspannter in Zeiten der Corona-Pandemie. Abseits der Hallenzeiten hatte sie auch Gelegenheit, die einzigartige Natur zu entdecken. „Es war im Winter natürlich kalt und lange dunkel“, beschreibt sie den nordischen Winter. Dafür gab es viel Schnee und Polarlichter.

„Ich mag, dass 3×3 weniger ausrechenbar ist“

Seit diesem Sommer ist sie nun in Budapest, denn in der ungarischen Hauptstadt hat sie vom Verein eine Wohnung bekommen. „Ich hatte noch gar nicht so viel Zeit, mir die Stadt anzuschauen, und werde das Nachholen, wenn mich Freundinnen besuchen“, schildert Degbeon. Die Saisonvorbereitung verpasste die Mittzwanzigerin ohnehin, allerdings aus einem speziellen Grund: Die deutsche 3×3-Meisterin aus dem Jahre 2019 und 2022 spielte den ganzen Sommer durch – dank des 3×3.

Für die schnelle und körperliche Abwandlung des Basketballs ist die wendige und technisch starke Degbeon mit ihren 1,84 Metern prädestiniert. „Ich mag, dass 3×3 weniger ausrechenbar ist, als Spielerin muss ich jederzeit ready sein“, beschreibt Degbeon ihre Vorliebe für die rasant wachsende, individuellere Basketballvariante, bei der auch die eine Auswechselspielerin jederzeit bereit sein muss, aktiv ins Spiel einzugreifen.

Auch hier beweist Ama Degbeon ihren Mut, Neues zu wagen: Denn sie spielte im Sommer für das in Düsseldorf angesiedelte Team „Zoos“, das als eines der ersten kommerziellen Teams an der Profitour bei den Frauen teilgenommen hat. In Abgrenzung zu den Männern prägen bis dato noch die Nationen die großen Turniere. Bei „Zoos“ spielt Degbeon mit den japanischen 3×3-Profis Aoi Katsura und Yuka Maeda sowie den aus dem Fünf-gegen-Fünf bekannten deutschen Nationalspielerinnen Emma Stach und Jennifer Crowder zusammen.

„Zoos“ ist ein Unternehmen aus Japan, das Frauen und Mädchen mit Basketball in Kontakt bringt. So beschreibt es Emre Atsür, der als Teammanager und Sportlicher Leiter die Düsseldorfer 3×3-Projekte betreut, welche auf eine starke Jugendarbeit setzen. Trainings der Profis mit den Kids gab es daher auch schon: „Die Stadt Düsseldorf und wir als Verein ,3×3 Düsseldorf‘ haben eine Zusammenarbeit mit ,Zoos‘ um Gründerin Katsura im Rahmen einer Joint Venture.“

Den Aufenthalt und die Verpflegung der Japanerinnen trägt Düsseldorf, die Reisekosten übernimmt „Zoos“ hingegen. „Von Europa aus ist es wesentlich leichter und kostengünstiger, zu den Standorten der 3×3-Turniere zu kommen“, erklärt Atsür. Diese befinden sich schließlich größtenteils in Europa.

Der Verein „3×3-Düsseldorf“ zahlt derweil Crowder, Stach und eben Degbeon ein Gehalt. Die drei gehören zu 28 Athletinnen und Athleten der „Sportstadt Düsseldorf“, die auf ihrem Weg, der zu den Olympischen Spielen 2024 führen soll, besondere Förderung erhalten – die Teilnahme in Paris wäre logischerweise ein Traum für Degbeon und ihre beiden deutschen Mitspielerinnen.

Beim 3×3 Europe Cup sprang der fünfte Platz für das DBB-Team um Degbeon heraus, was für Deutschland als aktuelle, stabile Weltranglistenzweite aber eher eine Enttäuschung war. Gute Voraussetzungen dennoch, um bei den nächsten Olympischen Spielen dabei zu sein. Nachdem der DBB sowohl bei den Frauen als auch den Männern die Teilnahme an der 3×3-Premiere in Tokio verpasst hatte, soll es für Frankreich mit den Qualifikationen hinhauen. In Düsseldorf stehen mit Bastian Landgraf, Alan Boger und Kevin Bryant sowie Leon Fertig einige weitere 3×3-Nationalspieler des DBB und Olympiakandidaten unter Vertrag.

Um sich für den deutschen Kader für die Olympia-Qualifikation zu empfehlen, kann das Projekt „Zoos Düsseldorf“ entscheidend sein, denn im 3×3 sammeln die Spielerinnen individuell Weltranglistenpunkte. Aus den erfolgreichsten Akteurinnen des Jahres setzt sich dann die Rangliste zusammen. „Ich würde im nächsten Jahr gerne wieder mit dem Team spielen“, erzählt die für neue Projekte stets aufgeschlossene Degbeon, die im Sommer Spaß an und mit der japanisch-deutschen Basketballgruppe hatte.

Im französischen Eaubonne gelang beim Challenger-Turnier bereits im Frühsommer mit dem zweiten Platz ein großer Erfolg, als sich „Zoos Düsseldorf“ gegen namhafte Nationen-Teams durchsetzte. „Das hat uns die weitere Saison geebnet“, sagt Degbeon. Es ging weiter durch Europa und im September schließlich ins rumänische Constanta zum Finale der Serie. Dort feierten die Düsseldorferinnen mit dem fünften Platz hinter Deutschland und Sieger Kanada einen runden Saisonabschluss, der auch bei Degbeon bereits Lust auf mehr macht.

Wo es sie in ihrer Laufbahn als Profi-Basketballerin noch hin verschlägt, das ist aktuell noch offen und betrachtet sie entspannt. Es hänge auch von den sportlichen Erfolgen ab, wie etwa bezüglich der möglichen Olympia-Teilnahme. Was allerdings schon gewiss ist: Es bleibt abenteuerlich bei Ama Degbeon.

Wobei: Irgendwann möchte sie gerne auch nochmal in der DBBL spielen. „Leider habe ich es beispielsweise verpasst, als der USC Heidelberg in der ersten Liga gespielt hat. Die Männer sind dafür jetzt in der BBL gut unterwegs“, hegt sie auch immer noch emotionale Beziehungen zum Verein aus der nordbadischen Stadt am Neckar, in der sie aufgewachsen ist – bevor es über Berlin und Marburg in die weite Basketballwelt ging.