Milwaukee Bucks: Reif für den Titel?
Die Milwaukee Bucks fliegen mit der besten Bilanz nach Paris. Das Team um Superstar Giannis Antetokounmpo spielt einmal mehr eine überragende reguläre Saison. Doch die Zweifel an der Titeltauglichkeit bleiben.
Am Freitag treffen in Paris die Charlotte Hornets auf die Milwaukee Bucks. Und ganz egal, wie die Partie ausgeht: Die Bucks um MVP Giannis Antetokounmpo werden definitiv auch danach die beste Bilanz der NBA aufweisen. Zu groß ist der Abstand auf die Konkurrenz.
Das Team von Mike Budenholzer spielt eine historisch gute reguläre Saison. Derzeit steht Milwaukee bei einer Bilanz von 39-6 und ist damit auf Kurs, 70 Siege einzufahren. Dieses Kunststück ist in der langen Geschichte der Liga erst zwei Teams gelungen: den Chicago Bulls von 1995/96 sowie den Golden State Warriors der Saison 2015/16.
Und doch sind die Bucks trotz ihrer Dominanz nicht der haushohe Titelfavorit, der sie der Siegquote nach eigentlich sein müssten. Aber woran liegt das?
Giannis wieder MVP-würdig
Bevor wir uns dieser Frage widmen, gilt es zunächst, die Gründe für die überragende Hauptrunde der Bucks herauszustellen. Natürlich ist dort als erstes Giannis Antetokounmpo zu nennen. Der amtierende MVP ist drauf und dran, den Award erneut zu gewinnen. Der 25-Jährige legt in seiner siebten NBA-Saison aktuell neue Karrierebestwerte bei den Punkten (30,0 PpG) und Rebounds (12,9 RpG) auf – und das, obwohl der griechische Nationalspieler nur 30,6 Minuten pro Partie abspult, so wenige wie seit seinem Rookie-Jahr nicht mehr. Double-Doubles mit 30 Punkten oder mehr sind beim Bucks-Anführer inzwischen zur Gewohnheit geworden.
Antetokounmpos eine fehlende Schwachstelle war bislang der wacklige Distanzwurf. Doch auch hier macht der MVP Fortschritte. Im Vergleich zur Vorsaison ist Giannis‘ Wurfquote von hinter der Dreipunktelinie von 25,6 auf 32,2 Prozent sowie die Anzahl der genommenen Dreipunktewürfe von 2,8 auf 5,1 gestiegen.
Die Bucks erzielen in dieser Spielzeit 113,2 Punkte pro 100 Ballbesitze und stellen damit den zweiteffizientesten Angriff nach den Dallas Mavericks. Das Erfolgskonzept lautet vereinfacht: Gib Giannis den Ball und umgib ihn mit Schützen. Milwaukee macht in der Offense das Spielfeld weit, was Räume schafft für die Drives ihres Superstars.
Sogar Center Brook Lopez, der in dieser Saison 4,7 Dreier pro Partie nimmt, hält sich vorwiegend am Perimeter auf. Hinzu kommen die ausgewiesenen Schützen George Hill (53,3% 3FG), Kyle Korver (43,3) und Khris Middleton (42,1). Auch Wesley Matthews, Donte DiVincenzo, Pat Connaughton, Ersan Ilyasova, D.J. Wilson und Sterling Brown nehmen einen Großteil ihrer Würfe aus dem Dreierbereich. Insgesamt nehmen die Bucks die fünftmeisten Dreier (38,5) bei einer Wurfquote von überdurchschnittlichen 36 Prozent. Zudem ist Milwaukee führend bei der effektiven Feldwurfqoute (55,8%) und beim True-Shooting (58,7%).
Milwaukee macht die Zone dicht
Doch so stark die Bucks in der Offense auch sind, ihre Verteidigung ragt noch mehr heraus. Wie schon in der Vorsaison führt Milwaukee die Liga im Defensiv-Rating an. Das Budenholzer-Team lässt nur 101,2 Punkte pro 100 Possessions zu, was mit gehörigem Abstand Rang eins bedeutet.
Das Defensivkonzept der Bucks besteht darin, keine einfachen Punkte in Korbnähe zuzulassen, was ihnen hervorragend gelingt. Milwauee kassiert nur 38,3 Punkte pro Spiel in Zone und damit 4,4 Punkte weniger als die nächstbeste Mannschaft in dieser Kategorie. Das folgende Video erklärt die Defensiv-Stärke der Bucks anhand der Partie gegen Titel-Favorit L.A. Clippers.
Natürlich gebührt nicht nur dem System Lob, sondern auch den Spielern, die es umsetzen. Die Bucks verfügen mit Antetokounmpo und den Lopez-Brüdern über starke Verteidiger auf den großen Positionen. Alle drei Akteure lassen in unmittelbarer Korbnähe Wurfquoten von nur etwa 45 Prozent zu. Zur Einordung: Die durchschnittliche Wurfquote von Abschlüssen in der Zone liegt ligaweit bei knapp 60 Prozent. Auch bei der Zahl der gestatteten Freiwürfe (20,5 pro Spiel) befindet sich Milwaukee unter den ersten Fünf.
Selbstverständlich können die Bucks aber nicht die Zone verdichten, ohne in anderen Bereichen Räume ungedeckt zu lassen. Milwaukee ist die Mannschaft, die die meisten Dreier zulässt (39,0), von denen etwa die Hälfte offene Würfe sind (19,8) – ebenfalls Höchstwert. Über die Saison gesehen geht die Strategie jedoch auf. Die Bucks weisen die niedrigste gegnerische Feldwurfquote auf (41,0% FG) und sind zugleich das beste Defensiv-Rebounding-Team (77,0 DREB%).
Die vielen Fehlwürfe der Gegner können die Bucks auf der anderen Seite wiederum in einfache eigene Korberfolge umwandeln. Kein Team erzielt mehr Fastbreak-Punkte als die Bucks (18,8), und kein Spieler erzielt mehr Fastbreak-Punkte als Giannis Antetokounmpo (6,4). Die Bucks drücken so oft wie möglich aufs Tempo, was sich auch mit Platz eins bei der Pace ausdrückt.
Angstgegner Philadelphia
Die Bucks haben also die beste Verteidigung der Liga, einen ebenfalls elitären Angriff und den MVP der Liga. Darüber hinaus verfügt Milwaukee über passende Rollenspieler um ihren Star herum und zudem über einen tiefen Kader. Sowohl die Siegquote von 86,7 Prozent als auch das Net-Rating von +12,0 sind absolute Top-Werte.
Doch es gibt einige Beobachter, die noch nicht von einem Titelgewinn Milwaukees überzeugt sind. Die Skeptiker verweisen dabei zum einen auf die letztjährigen Conference Finals, in denen die Bucks nach 2-0-Serienführung noch gegen die Toronto Raptors ausschieden, zum anderen auf die deutliche Niederlage bei den Philadelphia 76ers am Christmas Day.
In ersterem Fall scheiterten die Bucks an Kawhi Leonard, der nicht nur in der Offense ablieferte, sondern es gemeinsam mit seinen Teamkollegen auch schaffte, Antetokounmpo in seinen Angriffsbemühungen einzuschränken. Auch die Schützen der Bucks wurden teilweise aus dem Spiel genommen, worauf Milwaukee keine passende Antwort fand.
Die Erinnerungen an die 109:121-Pleite gegen die Sixers sind im Vergleich dazu noch frischer. Die Partie diente als zusätzliche Bestätigung für die Experten, die Philadelphia in einer Playoff-Serie zwischen den beiden Teams Vorteile einräumen. Joel Embiid gewann dabei das Duell gegen Giannis, indem er 31 Punkte und 11 Rebounds erzielte und zudem seinen Gegenüber stark verteidigte. Antetokounmpo traf nur acht seiner 27 Würfe und keinen einzigen seiner sieben Versuche von Downtown, obwohl die Sixers ihn bei einigen seiner Dreier vollkommen freistehen ließen.
Dies befeuerte noch einmal die großen Bedenken im Zusammenhang mit den Titelambitionen: Was machen die Bucks, wenn die Zone dicht gemacht wird und Giannis seine Dreier nicht trifft? Zudem ist zu beobachten, dass Giannis‘ Freiwurfquote im Vergleich zum Vorjahr von 72,9 auf nur noch 60,6 Prozent gesunken ist. Auch in diesem Bereich sollte sich der MVP tunlichst steigern.
Generell verteidigte Philly gegen Milwaukee nach Lehrbuch und traf selbst ihre Dreier (21/44, 47,7% 3FG). Sie drückten den Bucks ihr langsames Spieltempo auf und ließen weniger Gelegenheiten zum schnellen Umschalten zu als es Milwaukee gewohnt ist.
Ob es allerdings überhaupt zu einem Aufeinandertreffen zwischen den Bucks und 76ers kommt, steht noch in den Sternen. Philadelphia tut sich in der regulären Saison schwer. Eventuell könnten die Sixers sogar in einem für sie weniger günstigen Playoff-Matchup früh die Segel streichen.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Bucks – großartige Regular Season hin oder her – weiterhin den Beweis schuldig bleiben, ihr Leistungsvermögen auch gegen gut eingestellte, defensivstarke Teams in den Playoffs konstant abzurufen. Erst wenn sie das geschafft haben, werden auch die letzten Kritiker verstummen.