NBA Preview #4 – Charlotte Hornets – Herr Jordan, gewinnt am Ende doch das Front Office die Spiele?

Es seien „die Spieler, die gewinnen“, „nicht das Front Office!“, wütete Michael Jordan einst sinngemäß während eines Disputs mit dem damaligen General Manager der Chicago Bulls, Jerry Krause. Wie viel Wahrheit in dieser Aussage tatsächlich stecken mag, durfte Jordan Jahrzehnte später am eigenen Leib erfahren.

NBA Preview Nr.4 zu den Charlotte Hornets.


Das G in GM steht nicht für GOAT

2010 übernahm er als Mehrheitseigner die Hornets aus Charlotte. 13 Jahre später verkaufte er wieder. Zu Buche stehen zwei Playoff Teilnahmen, kein einziger Sieg. Für einen siegesbesessenen Menschen wie Jordan eine ernüchternde Ausbeute.

Über den genauen Einfluss, den die Lichtgestalt des Sports genau hatte, lässt sich von außen wenig sagen. Aber wer Jordans Karriere verfolgt oder seine Dokumentation geschaut hat, bekommt doch einen recht genauen und tiefen Einblick in den komplexen, bis schwierigen Charakter und seine Weltanschauung.

Daraus lässt sich ohne große Spekulation behaupten, dass MJ ganz sicher nicht still dasaß und lediglich die Geldbörse öffnete. Nein wahrscheinlich hat eher eine Mischung aus Ehrfurcht seiner Spieler, Einmischung ins Front Office hinein und vor allem Druck dazu geführt, dass Charlotte heute dort steht, wo die Hornissen aus North Carolina eben stehen. Im Nirgendwo und als Roster Flickenteppich.


Was kommt nach Jordan?

Auch wenn er der wahrscheinlich bis dato beste Spieler aller Zeiten auf dem Feld war, reiht er sich in der Liste der übergriffigen Owner im grauen Niemandsland ein. Keine nennenswerten Erfolge, fragwürdige Signings und kein wirklich erkennbarer Plan.

Jordan ist nun seit einem Jahr nicht mehr der Mehrheits-Owner. Und die Hornets scheinen sich langsam in die richtige Richtung zu bewegen. Zumindest ein wenig. Man hatte und wird aber auch diese Saison nichts mit der Post-Season zu tun haben.

Daran dürfte auch das reformierte System der NBA nichts ändern, in welchem seit nun vier Jahren selbst der zehntplatzierte einer Conference über das Play-In-Tournament um einen Platz in den Playoffs kämpft. Im Übrigen eine Entwicklung zu der ich Jordans Meinung gern mal hören würde.

Aber schauen wir zunächst auf das Personal. Nach 10 Jahren Erfahrung als Assistant wurde Trainer Talent Charles Lee aus Boston geholt und vom Assistant zum Head-Coach in Charlotte befördert.

Man hat es geschafft, sich 2 der größeren Verträge zu entledigen für mehr Flexibilität. Terry Rozier wurde nach Miami geschickt und Gordon Hayward nach Oklahoma. Nun ist der Weg frei für frisches Talent. Mit dem Trio LaMelo Ball, Vorjahres-Rookie Brandon Miller und Center Hoffnung Mark Williams hat man bereits eine nicht uninteressante Kombination.

Hinzukommt der diesjährige Rookie Tidjane Salaun. Man hat sich also ganz klar in Charlotte ausgerichtet. Es soll etwas aufgebaut werden. Etwas Neues. Etwas Junges. Was bleibt auch anderes übrig, wenn man keine bevorzugte Free Agent Destination ist.


Oh Franchise Player, where art thou?

Der ganz kurzfristige Erfolg steht dafür in der Prioritätenliste vermutlich eher unten. Ein Spieler, welchem das gefallen könnte, ist Miles Bridges. Nach privaten Problemen und Klagen wegen häuslicher Gewalt scheint er nun zurück zu sein. Auch wenn er menschlich ganz offensichtlich noch eine Menge zu lernen hat, so hat er sportlich auf den ersten (Casual?) Blick jedenfalls nichts verlernt.

In der vergangenen Saison kam er in 69 Spielen auf ordentliche Counting Stats, was die Hornets dazu veranlasste, ihn mit einem 3-Jahre 75 Millionen US-Dollar Vertrag auszustatten, bei welchem sein jährliches Salär von Jahr zu Jahr weniger wird und nicht wie meist üblich von Jahr zu Jahr anwächst. Eine kluge Entscheidung des Front Office.

So kann man immerhin versuchen einen Trade einzuleiten, was in der Tat auch Sinn machen könnte, bezogen auf unter anderem der Timeline von z.B. LaMelo Ball und Miller.

Viel mehr noch macht das auch deswegen Sinn, weil man bei Bridges nicht mehr nur das Gefühl hat, einen physical Freak zu sehen, der eine gewisse Dynamik im Verbund mit Ball hat. Sondern auch ein Profi mit einem offensichtlich, mindestens fragwürdigen Temperament, der eine viel höhere Extension dadurch verpasst hat als Konsequenz.

Ja man sollte Advanced Stats hier und da mit Vorsicht genießen in der Evaluierung aufgrund der Erhebungsmethoden jener. Ball und Bridges stehen bisher generell nicht unbedingt im Verdacht Elite Defender zu sein.

Beachtet man aber mal die kontinuierlichen Drops im D-Rating bei sowohl Ball als auch Bridges nach ihrer ersten gemeinsamen Saison, so kann man durchaus mal in den Raum stellen, dass eben genau dieses physische Freak-Duo, mental und auch in der Physis (vor allem Balls Schnelligkeit, Spritzigkeit) abgebaut hat ODER was dann viel bedenklicher wäre, eher ein Stat Padder Duo ist.

NOCH bedenklicher sind dann eben genau jene Extensions, wo der eine fürs Erste bereits komplett ausbezahlt ist (Ball) und der andere „zu kurz“ kam (Bridges). Beides potentiell eine gefährliche Anmischung von „satt“ (Effort bei Ball?) und „hungrig“ (bevorzugtes Stat Padding bei Bridges?). Genau die falsche Art von Hunger, die über kurz oder lang nur Ärger verursacht.

Um zum Eingangszitat zurück zu schauen:
Hat das Front Office die richtigen Spieler auserkoren, um die man bauen möchte? Gewinnt am Ende eben doch das Front Office MIT die Spiele? Oder liegt die Wahrheit wie fast immer, in allem im Leben, in der Mitte?

Wortwörtlich? Weil die Symbiose aus Ideen im Front Office, der Interpretation, Kommunikation an der Seitenlinie und final dann der Umsetzung auf dem Parkett, eben den Erfolg ausmacht? Hat vielleicht jeder im Team seine Rolle? So wie eben jeder Spieler in einem Roster seine Rolle hat?


Gesundheit und Defense!

Warum reicht es nicht schon jetzt für mehr als einen Lottery-Platz in der kommenden Saison?

Ein recht gutes junges Dreigestirn, ein solider bis potenter Rollenspieler in Miles Bridges, ein weiterer in Grant Williams, Vets wie Seth Curry, Taj Gibson oder Vasilje Micic, die den jungen Talenten zeigen könnten, auf welche Feinheiten es ankommt. Vor allem im Locker Room und in Punkto Abgeklärtheit.

Ob Seth Currys Reminiszenz an seinen Vater Dell, mit dessen Nummer er in Charlotte aufläuft, unter Umständen auch mehr als ein zwar herzerwärmender PR-Stunt und damit wirkliche sportliche Verstärkung ist, bleibt abzuwarten. Zwar herzerwärmend. Aber eventuell eben doch „nur“ ein PR-Stunt für die Fans, wenn man auf die jüngere Leistungsentwicklung von Seth schaut.

Wie so oft lauten die Zauberwörter Gesundheit und Defense in Charlotte.

– Gesundheit
.. weil Franchisespieler Ball in den letzten zwei Jahren nur auf 58 Spiele kommt.

– Gesundheit
.. weil Center Hoffnung Mark Williams in demselben Zeitraum auf magere 63 Spiele kommt.

– Gesundheit
.. weil man auch Miles Bridges mentale Entwicklung dringend mit Vorsicht genießen sollte als Franchise. Mindestens aber weiterhin unter Beobachtung zu behalten sein sollte.

Gerade in den frühen Jahren einer NBA Karriere eine viel zu geringe Anzahl um eine vernünftige Entwicklung zu ermöglichen.

– Defense
.. weil man wie zum Beispiel in Atlanta mit Trae Young oder in Chicago mit Zach LaVine, einen Franchiseplayer hat, welcher entweder körperlich zu einem defensiven Minus wird wie Young und / oder durch striktes Ablehnen von Effort am defensiven Ende zu einem Minus wird.

LaMelo könnte in die letztere Kategorie gehören. Körperlich bringt er eigentlich alles mit. Frame, Schnelligkeit, Wingspan. Mental hat er mehr als genug Oncourt-IQ, um das in defensive Qualität umzuwandeln. Im Effort aber sah das nur in Saison 1 wirklich gut aus.

All diese wichtigen Aspekte für eine wenigstens solide bis gute Defense hängen aber auch massiv von der physischen Verfügbarkeit ab. Sowohl ob man für Spiele bereit steht und WIE man dann auch IN diesen Spielen physische Reserven hat und idealerweise auch keine Verletzungsängste.

Und ob der generelle Effort und die Bereitschaft bei Ball nach seiner 200 Millionen-Extension im vergangenen Sommer, noch da ist, bleibt neben den großen Fragezeichen bezüglich seiner Physis, abzuwarten.

– Defense
.. weil der defensive Anker Mark Williams heißt, man keine echte Alternative hat, wenn dieser ausfallen sollte und man dann ohne echte defensive 5 auf dem Feld steht.


Prognose

Good End:
Im besten Fall werden in der kommenden Saison alle Spieler fit bleiben, man spielt begeisternden und schnellen Basketball und entledigt sich des wandelnden Fragezeichens Miles Bridges. Ob nun durch einen Trade oder seriösere Einstellung zum Leben und Sport.

Miller bestätigt seinen Status als potenzieller Franchiseplayer neben Ball und macht den nächsten Schritt in seiner Entwicklung. Mark Williams bleibt gesund und spielt die erste von dann hoffentlich vielen guten Saisons auf der 5 mit wenigstens mehr als 50 Spielen.

Zwar kein Play-In (schon allein um den eigenen First Rounder in diesem Jahr zu schützen) aber wenigstens mal mehr als das Lazarett oder Klatschgazetten Skandal-Lieferant der Liga.

Bad End:
Das Worst-Case-Szenario wäre ein Totalausfall des Kaders. Mark Williams bekommt seinen Rücken nicht unter Kontrolle, LaMelo macht es seinem Bruder gleich und wird zu einer gesundheitlichen Dauerbaustelle.


… „Dank“ geht raus an Lavar Ball für völlig falsche Trainingsmethoden in jungen Jahren…

Miller ist mit der Rolle als alleiniger Offensiv Gestalter noch überfordert und Miles Bridges wird wieder suspendiert.

Man sieht die Schere geht wie bei wenig anderen Teams sehr weit auseinander. Trotzdem sollten Charlotte-Fans erstmal Seth Curry in dem Trikot seines Vaters genießen, mit einem langen Atem positiv in die Zukunft schauen.

Man hat das Heft des Handelns in der Hand, bezogen auf die eigenen Erstrunden-Picks. Ebenso einige Erst- und Zweitrunden Picks dazubekommen. Und zumindest einige interessante Spieler im Kader. Damit ist man schon vielen anderen Teams in der Liga einen kleinen Schritt voraus.