Mamba Mentality Forever

Kobe Bryant hat als einer der besten Basketballer aller Zeiten seine Generation geprägt. Die Lakers-Legende sah sich nicht nur als Sportler, sondern auch als Storyteller – womit Bryant nach Ende seiner Sportlerlaufbahn an seinem Vermächtnis weitergeschrieben hatte. Ein Nachruf von Manuel Baraniak.

Bei einem der letzten öffentlichen Auftritte von Kobe Bryant tat er das, was er Zeit seiner Karriere als fünfmaliger NBA-Champion, dreimaliger MVP und 18-maliger All-Star getan hat: Basketball lehren. Am 13. Januar sah sich Kobe Bryant das Spiel der Brooklyn Nets gegen die Atlanta Hawks an, zusammen mit seiner Tochter Gianna. Ein kurzes Video zeigt die beiden in der ersten Reihe sitzend, wie Kobe seiner Tochter etwas erklärt, Gianna darauf antwortet, und Kobe zustimmend nickt.

Am 26. Januar kamen die beiden wie sieben weitere Menschen bei einem Hubschrauberabsturz in Kalifornien ums Leben. Sie befanden sich auf dem Weg zur „Mamba Sports Academy“, einer Trainingsstätte für Profis wie Amateure, die Bryant 2018 mitbegründet hatte. Gianna sollte bei einem der Spiele der „Mamba Cup Series“ auflaufen, mit Kobe als ihrem Trainer.   

In seinem Buch „The Great Nowitzki“ führt Thomas Pletzinger aus, wie Profisportler immer zwei Tode sterben müssen: den mit Ende des menschlichen Lebens, und den mit Ende der Profilaufbahn. Dass diese beide Tode aber so nahe beieinander lagen, ist unbeschreiblich – vor allem vor dem Hintergrund, wieviele Leben Bryant beeinflusst hat.

20 Jahre lang hat Bryant in der NBA das Trikot der Los Angeles Lakers getragen, er lief nur für diese eine Franchise auf, Bryant war „purple and gold“.

Das Karriereende zu akzeptieren, dürfte eine der schwierigsten Aufgaben für jeden Profisportler sein. Als sich Bryant 2013 in einer Partie die Achillessehne reißt (im Alter von 34 Jahren eine Verletzung, die eine Karriere beenden kann), lässt er es sich nicht nehmen, vor seiner Auswechslung noch an die Linie zu gehen und die ihm zustehenden Freiwürfe zu nehmen. So sehr lagen Wille und Wahn bei Bryant zusammen. Der Lakers-Guard würde, wie sollte es bei einer Legende anders sein, natürlich zurückkehren, zwei weitere schwerwiegende Verletzungen verkraften, um in der letzten Partie seiner Karriere 60 Punkte zu erzielen. 

Wie bei wenigen Spielern lässt sich die Karriere Bryants mit Attributen wie Ehrgeiz und Ehrfurcht umschreiben. Seine Arbeitseinstellung, auch nachts um vier Uhr an seinem Spiel zu feilen, an seinem Körper zu schuften, ist Stoff für Legendengeschichten allein. Womit Bryant – als Gegner und Teamkollege, wie aber auch als Freund und Ehemann – sicherlich kein einfacher Charakter gewesen ist; egomanische Züge fanden sich bei ihm durchaus. Bryants Worte „friends can came and go, but banners hang forever“ sind Ausdruck dessen.

Ein solches Streben nach Perfektion hat er von Gegnern wie Mitspielern gleichermaßen erwartet. „Wenn jemand nicht von dem, was er tut, besessen ist, dann sprechen wir nicht die gleichen Sprache“, erklärte Bryant einmal ESPNs Ramona Shelburne. Carmelo Anthony, der zwölf Jahre zusammen mit Bryant in der NBA gespielt und mit ihm zwei Olympische Goldmedaillen gewonnen hat, musste an dem Tag, an der Bryant starb, auf dem NBA-Parkett auflaufen. Warum er gespielt habe, wurde Anthony nach der Partie gefragt: „Wie ich ihn gekannt habe, hätte er gewollt, dass ich spiele“, machte Anthony deutlich, dass es Bryant immer um den Wettkampf und das Spiel an sich ging.

Um auf die zwei Tode eines Profisportlers zurückzukommen, warf der erste Tod Bryant nicht aus der Bahn – im Gegenteil, er schien sein Vermächtnis weiterzuschreiben. Auf die Frage, was er nach dem Ende seiner Basketballerlaufbahn sein wolle, antwortete Bryant einmal: „Ich will ein Storyteller sein“. Und so gelang es ihm, nur zwei Jahre nach Ende seiner ruhmreichen Sportlerkarriere einen Oscar zu gewinnen: in der Kategorie des besten animierten Kurzfilms für „Dear Basketball“, einer fünfminütigen Liebeserklärung an den Basketball, zusammen mit Glen Keane produziert, basierend auf Bryants Gedicht, das er 2015 auf The Players’ Tribune veröffentlicht hatte.

Die „Mamba Mentality“ kann man bei all den vielen Eins-gegen-Eins-Duellen, Gamewinnern und Meistertiteln suchen, doch findet man sie doch vor allem in Bryants Streben nach (neuen) Herausforderungen. Den ersten Tod eines Profisportlers, so scheint es, hatte Bryant einfach überwunden gehabt.

Auch, indem er sein Wissen weiter vermittelte. Wie beispielsweise in seiner „Detail“-Serie für den US-Sender ESPN, wo Bryant das Spiel der nachfolgenden Generation mit großer Detailliebe seziert hatte. Wo manch alternde Ex-Stars in TV-Studios für Fremdscham sorgen, arbeitete Bryant weiter am Basketballspiel. Vor allem aber durch seine Rolle als Vater und Trainer gleichermaßen. Das eigene Vermächtnis kann nur so groß sein, wie man die nachfolgende Generation prägt und ihr etwas weitergeben möchte.

ESPN hat Bryant mal mit folgenden Worten zitiert: „Wenn du mit großartigen Menschen zusammenarbeitest, und jeder bereichert den anderen, dann erschaffen wir etwas, das zeitlos ist.“ Es ist nicht auszumalen, zu was Bryant in seinem Leben noch imstande gewesen wäre – als einer der größten Basketballer aller Zeiten, als „Storyteller“, mit seiner „Mamba Mentality“.

“And we both know, no matter what I do next
I’ll always be that kid
With the rolled up socks
Garbage can in the corner
:05 seconds on the clock
Ball in my hands.
5 … 4 … 3 … 2 … 1”

Mamba Out.

Mamba Mentality Forever.