Inter-National Basketball Association

Die beste Basketballliga der Welt ist stärker international orientiert und dominiert denn je zuvor. Und auch deswegen ist die NBA von Bedeutung, politisch wichtig und wertvoll.

Dennis Schröder, Daniel Theis, Paul Zipser, Maxi Kleber und Dirk Nowitzki. Nie gingen mehr deutsche Basketballer in der NBA gleichzeitig an den Start. Zumal die fünf Profis in ihren jeweiligen Teams teils wichtige Rollen bekleiden und auf dem Hartholz bisweilen Spiele mit entscheiden. Derweil dem veritablen Quintett schon im nächsten Jahr vielversprechende junge Talente (unter ihnen Isaac Bonga und Moritz Wagner) nachfolgen könnten. Ein Resultat nunmehr effektiver Jugendarbeit und professionalisierter Strukturen hierzulande.

Wer zudem gewillt ist, über den schwarz-rot-goldenen Korbrand hinauszuschauen, wird schnell feststellen, dass der Influx internationaler Spieler einen generellen NBA-Trend beschreibt, der auch in Zukunft fortgeschrieben werden dürfte. So waren zu Saisonbeginn (2017/18) 108 Spieler aus 42 Staaten und Territorien oder rund 25 Prozent aller NBA-Profis Internationale. Dabei beschreibt die Vielzahl ihrer Herkunftsländer – inklusive der Rekordzahl von 64 Europäern – ein bisheriges Allzeithoch. Ein ebensolches wurde bereits in der Vorsaison (2016/17) aufgestellt, als 113 Akteure aus 41 Staaten und Territorien zum Liga-Auftakt unter Vertrag standen.

Dass diese Entwicklung eine nachhaltige ist, verdeutlichen die Zahlen der letzten Jahre: Zum fünften Mal in Folge beträgt der Anteil internationaler Spieler mehr als 20 Prozent (seit 2003 sank dieser Wert nie unter 16,6 Prozent). Überdies waren zuletzt dreimal hintereinander mindestens 100 Internationale in der NBA beschäftigt. Alldieweil jede der 30 Franchises wenigstens einen Nichtamerikaner aufbieten konnte (und weiterhin kann).

Welches Land dabei momentan und auch historisch am stärksten vertreten ist, mag indes nicht überraschen. Kanada, das Geburtsland von James Naismith, entsendet derzeit elf Spieler gen Süden. Nicht zuletzt ist jene Vielzahl den 1995 gegründeten Toronto Raptors und NBA-Senior Vince Carter zu verdanken, der um die Jahrtausendwende im hohen Norden einen viel besprochenen Basketballboom ausgelöst hatte.

Auf Kanada folgen Staaten mit zentralistisch organisierter und staatlich gut gestützter Sportförderung wie Frankreich (zehn Akteure), Australien (acht) sowie Spanien (sieben). Alsdann reihen sich mit Brasilien, Kroatien, Deutschland, Serbien und der Türkei (je fünf Spieler) teils ausgesprochene Basketballnationen ein.

Was die Internationalität der einzelnen NBA-Teams anbetrifft, ragen wiederum die weltoffenen Raptoren gemeinsam mit einer ebenso seit Jahren divers aufgestellten Jazz-Combo heraus (sieben Nichtamerikaner). Die Celtics und Spurs (sechs) sowie die Mavs, Nuggets, Knicks, Magic und Sixers (fünf) haben gleichfalls, teils traditionell, einen internationalen Kader.

Globale Starpower und Strahlkraft

Quantitative Werte allein sind jedoch nicht hinreichend – auf dem Parkett ist zuvorderst spielerische Qualität gefragt. Und auch in dieser Hinsicht zeigt sich die internationale Liga so talentreich wie selten zuvor. Schließlich kann sie mit einer aufstrebenden jungen Generation aufwarten, welche die globale Starpower und Strahlkraft des Basketballs eindrucksvoll demonstriert.

Giannis Antetokounmpo, Kristaps Porziņģis, Joel Embiid, Ben Simmons, Nikola Jokić, Karl-Anthony Towns und auch Andrew Wiggins sind allesamt keine 24 Jahre alt und bereits jetzt internationale Ausnahme- und teils legitime Franchisespieler. Als hypertalentierte Basketballer redefinieren sie nicht nur die Möglichkeiten des Spiels, sondern repräsentieren mit ihren Lebensgeschichten, Persönlichkeiten und Präferenzen eine vielfältige und offene Association. Eine internationale Gemeinschaft, die einen schätzenswerten Gegenentwurf zum intoleranten Amerika von „#45“ und Konsorten darstellt (später mehr hierzu).

Bis auf Jungwolf Towns, der in New Jersey geboren und aufgewachsen ist, gleichwohl eine dominikanische Mutter und für die Nationalmannschaft der Dominikanischen Republik gespielt hat, sind die Genannten außerhalb der USA sozialisiert worden. Antetokounmpo bekanntlich in Athen als Kind nigerianischer Eltern. Porziņģis in der Baltenrepublik Lettland, die im Schatten von Litauen eine größere Basketballtradition aufweist, als viele wissen. (Etwa gehörte das lettische Nationalteam vor dem Zweiten Weltkrieg zu den erfolgreichsten Mannschaften Europas und gewann 1935 die EM sowie 1939 Silber).

Embiid kam mit 16 Jahren aus Kamerun in die USA, nachdem er von Landsmann Luc Richard Mbah a Moute entdeckt und gefördert wurde. Simmons ist Australier (sein Vater Afroamerikaner aus der South Bronx). Er hat eine US-amerikanische Prep School (Montverde Academy) sowie für ein Jahr das College (LSU) besucht. Wiggins (Sohn eines Ex-NBA-Profis) wuchs im heimischen Toronto als Vorzeigetalent im Zuge des kanadischen Basketballbooms auf. Und Jokić reiht sich nahtlos in die festgegründete Traditionslinie serbischer Basketballexzellenz ein.

Solch eine eindrucksvolle Ansammlung junger Ausnahmekönner gab es zuletzt wohl vor weit mehr als zehn Jahren, als LeBron James, Dwyane Wade, Carmelo Anthony, Chris Bosh, Dwight Howard und Chris Paul ihre frühen Karriereschritte auf dem NBA-Parkett machten. Hingegen konnte die Liga bis dato kaum mit derart geballter internationaler Starpower aufwarten, die im Übrigen die nationalen Jungstars (wohlgemerkt in einer Momentaufnahme) in den Schatten stellt.

Genannt seien bei den unter 25-jährigen US-Amerikanern Alleskönner Anthony Davis, Premium-Zweier Bradley Beal, Stretch-Big Myles Turner, High-Scorer Devin Booker (seine Mutter ist Mexican-American) und Highflyer Aaron Gordon. Letzterer ist wie Booker und so viele Spieler in einer multikulturellen Familie aufgewachsen. Also in einem sozialen Umfeld, das die vielfältige Lebenswirklichkeit (in den USA) widerspiegelt.

Die NBA weiß derweil seit Dekaden großartige Internationale in ihren Reihen. Zum Beispiel in den 60er Jahren den Russian-American Tom Meschery (geboren im heutigen China) sowie in den 70er und 80ern die Big Men Swen Nater (Niederlande) und Mychal Thompson (Bahamas, Klay Thompsons Vater). Außerdem ehemals sowjetische Auswahlspieler und litauische Helden wie Šarūnas Marčiulionis und Arvydas Sabonis. Die viel zu früh verstorbene kroatische Basketballlegende Dražen Petrović sowie sein Landsmann Toni Kukoč und einstiger Mitspieler Vlade Divac.

Ebenso Detlef Schrempf (Debüt 1985) aus der alten BRD und Dikembe Mutombo (Mpolondo Mukamba Jean-Jacques Wamutombo) aus der damaligen Republik Zaire. Überdies die ersten beiden NBA-Superstars aus Übersee: Hakeem Olajuwon und Patrick Ewing. 1994 war der gebürtige Nigerianer und spätere US-Bürger der erste nicht-amerikanische Liga-MVP. Ewing, der als Jugendlicher aus Jamaika in die USA kam, war 1992 Teil des Dream Teams.

Auch sei die grundlegende wie erfolgreiche Internationalisierung seit Ende der 90er Jahre hier nicht verschwiegen. Denn sie hat bekanntlich zahlreiche Ikonen und Botschafter des globalen Spiels hervorgebracht. Steve Nash, Yao Ming, Peja Stojaković, Andrei Kirilenko sowie die noch aktiven Gasol-Brüder, Dirk Nowitzki, Tony Parker und der ewig junge Manu Ginóbili lassen grüßen.

Dabei ist es ein Hauptverdienst von David Stern, den Basketball als globales Spiel begriffen und ihn weltumspannend befördert zu haben. So haben die zahlreichen internationalen Initiativen unter dem einstigen NBA-Commissioner nachhaltig Früchte getragen. (Neben all dem spielerischen Talent, gewiss auch in wirtschaftlicher Hinsicht und in puncto Corpo­rate Iden­tity.)

Allen voran ist das Outreach-Programm „Basketball Without Borders“ zu benennen. Seit 2001 haben NBA und FIBA gemeinsam 45 BWB-Camps in 25 Ländern auf sechs Kontinenten abgehalten. Mehr als 2.720 Teilnehmer aus 134 Staaten und Territorien wurden hierbei bis zum Sommer 2017 erreicht – 43 von ihnen bis dahin im NBA-Draft ausgewählt. Etwa ehemalige Camper wie der Finne Lauri Markkanen und der Franzose Frank Ntilikina im Zuge der letzten Talentziehung.

Auch die „Jr. NBA“, das globale Jugendbasketball-Programm der Liga, sei angesprochen. 2016/17 erreichte es mehr als 18 Millionen Mädchen und Jungen in 53 Ländern durch seine umfassenden Graswurzel-Initiativen. Selbige setzen auf ganzheitliches Lernen, die Herausbildung von Werten und Fertigkeiten durch gemeinschaftliche Sportteilhabe, die Spieler, Trainer und Eltern involviert. Zumal 2018 erstmals eine Jr. NBA World Championship, ein globales Basketballturnier für unter Vierzehnjährige, ausgespielt werden wird.

Die „NBA Academies“, weltweit sechs an der Zahl, eröffnen Heranwachsenden gleichfalls Bildungsmöglichkeiten sowie die Chance auf eine Basketballkarriere. Denn auf der steten Suche nach jungen Talenten, stellt ihnen die Liga etwa in Afrika (im Senegal) Trainingseinrichtungen, versierte Coaches und vieles mehr zur Verfügung.

Internationalität entgegen Intoleranz

Diese gelungenen Globalisierungsanstrengungen der NBA sind auch deswegen von Bedeutung, weil sie in gesellschaftspolitisch umkämpften Zeiten wichtig und wertvoll sind. Denn als offene Liga der Vielfalt hat sie viel mehr als bloß ansehnliche Unterhaltung und Ablenkung anzubieten. Nämlich nicht zuletzt Humanität entgegen Hass und Hetze. Multikulturalität anstelle von weißer Monokultur.

Sonach gilt die Basketball Association zu Recht als globale Gemeinschaft und Vorzeigeliga, der muslimische Athleten (u.a. Dion Waiters, Enes Kanter, Gorgui Dieng, Kenneth Faried) und geflüchtete Menschen (etwa Emmanuel Mudiay aus der Republik Kongo, Luol Deng und Thon Maker aus dem Südsudan) angehören. Zumal diese NBA (sicher, nicht immer selbst verdient) mit einer reichen Tradition aufwarten kann, der es nicht an übersportlichen Idolen und Pionieren mangelt.

Genannt seien hier Bill Russell, der Prototyp des politischen NBA-Profis; ein meinungsstarker Kareem Abdul-Jabbar, der 1968 die Olympischen Spiele boykottierte und zu seiner Glanzzeit zum Islam konvertierte; sowie Craig Hodges und Mahmoud Abdul-Rauf, die für freiheitliche Werte nach wie vor couragiert einstehen.

Russell, Kareem, Hodges, Abdul-Rauf und viele andere haben das Spiel, die Liga und die Basketballkultur durch ihre Existenz und Exzellenz geprägt. Sie repräsentieren eine offene und vielfältige Association. Eine gefestigte Gemeinschaft, die einem gefühlt oft rückwärtsgewandten Amerika – mit aller seiner Diffamierung und Diskriminierung, präsidialen Bigotterie und Borniertheit – als ein fortschrittliches Beispiel entgegensteht.

Diese politische Präsenz der NBA gilt es zu hegen und pflegen, ihre für andere Sportligen beispielgebende Auffassung von der Welt zu erneuern und erweitern. Wofür auch ihre zahlreichen internationalen Spieler mit ihren Herkunftsgeschichten und Erfahrungen stehen.

Antetokounmpo, Embiid & Co. verkörpern alles andere als eine imaginierte Monokultur oder einen reaktionären Nationalismus, der auf Abschottung und andere Überkommenheiten setzt. Vielmehr das, was inklusive Gesellschaften als pluralistische soziale Gebilde idealerweise ausmacht. Dass jeder Einzelne anders ist, und wir uns darin als Menschen gleichen. Dass „das Besondere der Individualität eines Individuums alle Kategorien und allgemeinen Theorien übersteigt“, wie der weltgewandte Autor Haruki Murakami schreibt.

Daran dürfen alle Menschen, die die internationale Basketball Association privat oder professionell verfolgen, 2018 gelegentlich einmal denken. Denn Reflektiertheit und Offenheit machen den Ballsport und seine globale Gemeinde im besten Falle aus.