Andrew Bogut: „Deshalb bin ich der Basketball-Botschafter Australiens“

Andrew Bogut und die Golden State Warriors stehen in den NBA Finals mit dem Rücken zur Wand. Vor Spiel 5 spricht der Australier im Exklusivinterview über die Serie gegen Toronto, seine unerwartete NBA-Rückkehr und die knifflige WM-Auslosung für sein Heimatland.

„Wir haben die Erfahrung, damit umzugehen“

basketball.de: Andrew, deine Warriors liegen 1-3 zurück, so dass die Raptors nur noch einen Sieg zum Titelgewinn benötigen. Wie schätzt du nun die Lage ein?

Andrew Bogut: Natürlich ist das jetzt nicht einfach für uns. Aber wir haben schon mehrfach bewiesen, dass wir auch in schwierigen Situationen zurückkommen können. Wir haben die nötige Erfahrung, damit umzugehen. Die NBA Finals sind die größte Bühne, die es überhaupt gibt. Für solche Momente spielt man Basketball – deshalb werden wir alles versuchen, um die Serie zu drehen.

Dass du jetzt überhaupt in den NBA Finals stehst, war bis vor wenigen Monaten sowieso kaum absehbar. Erst im März haben dich die Warriors wieder unter Vertrag genommen …

Ich dachte selbst, dass meine Zeit in der NBA vorüber wäre. Nach der vergangenen Saison habe ich bewusst die Entscheidung getroffen, in die australischen Liga zu wechseln und für die Sydney Kings zu spielen – eine Mannschaft, die in den vergangenen vier, fünf Jahren keinen allzu großen Erfolg hatte. Meine Aufgabe war es, den Turnaround zu schaffen und den Klub zurück in die Erfolgsspur zu führen. Das war eine spannende Herausforderung, die mir großen Spaß gemacht hat.

Du bist sogar als MVP der Liga ausgezeichnet worden …

Stimmt. Leider sind wir dann im Halbfinale gegen Melbourne ausgeschieden. Doch wir haben den richtigen Weg eingeschlagen, den wir weitergehen wollen.

Wie kam es dann überhaupt dazu, dass du jetzt wieder für deinen früheren Klub in der NBA aufläufst?

Ich habe eine ganz besondere Beziehung zu den Warriors. Von 2012 bis 2016 habe ich bereits für diese Franchise gespielt und konnte 2015 den Titel gewinnen. Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände in dieser Saison …

… der langen Verletzungspause von Center DeMarcus Cousins …

… haben mich die Verantwortlichen bereits Ende 2018 kontaktiert und mich gefragt, ob ich mir eine Rückkehr vorstellen könnte. Ich habe klar gesagt, dass ich die Saison in Australien komplett zuende spielen will, ich es mir danach jedoch vorstellen könnte, für die restliche Saison zu helfen. Ich glaube nicht, dass ich das bei irgendeinem anderen Team getan hätte. Doch für die Warriors habe ich eine Ausnahme gemacht.

Inzwischen ist Cousins zurück, dennoch gehörst du in den Play-offs und jetzt auch in den Finals zur Rotation von Coach Steve Kerr. In etwa zehn Minuten Spielzeit im Schnitt kommst du auf 3,1 Punkte und 4,3 Rebounds – auch mit 34 Jahren bist du also immer noch produktiv. Bist du dann also bereit für eine weitere NBA-Saison?

Nein, denn ich habe im Sommer 2018 einen Zweijahresvertrag bei den Sydney Kings unterschrieben, weil ich dort etwas bewegen will. Diesen Vertrag will ich auf jeden Fall erfüllen. Nach den NBA Finals kehre ich nach Australien zurück.

„Bei der WM wollen wir unbedingt eine Medaille“

Wie ist der Stellenwert von Basketball in deiner Heimat?

Basketball wird immer beliebter. Wir haben eine Menge australischer Spieler in der NBA – ich glaube, es sind inzwischen zehn. Außerdem wird die australische Liga immer besser und attraktiver. Um diese positive Entwicklung voranzutreiben, bin ich ja auch extra zu den Kings gewechselt. Denn ich will meinem Heimatland etwas zurückgeben. Ich möchte eine Art Botschafter sein, um Basketball in Australien noch mehr voranzubringen.

Das bedeutet also, dass in Down Under andere Sportarten derzeit noch über Basketball stehen?

Genau – Australian Football, Rugby, Cricket oder auch Tennis. Ich würde sagen, dass Basketball auf Rang sechs oder sieben folgt. Bei nur 24 Millionen Einwohnern gibt es in Australien eine Menge guten und erfolgreichen Sport. Auch wenn die Aufgabe schwierig ist, versuche ich mitzuhelfen, die Lücke zu den genannten Sportarten zu schließen.

Dafür könnte doch sicherlich auch eine erfolgreiche WM in China helfen?

Total! Wir haben auf internationaler Ebene noch nicht allzu viel gerissen. Jetzt wollen wir unbedingt eine Medaille gewinnen, wissen aber, dass die Konkurrenz enorm groß ist.

Bei den Olympischen Spielen 2016 hätte es ja beinahe schon mit Edelmetall geklappt, doch das Spiel um Platz drei gegen Spanien ging 88:89 verloren …

Das war für uns eine riesige Enttäuschung. Wir hatten die Überzeugung, bereit zu sein für eine Medaille. Doch zunächst haben wir im Halbfinale gegen Serbien einen ganz schwachen Tag erwischt und klar verloren (61:87, Anm. d. Red.). Und dann folgte die hauchdünne Niederlage gegen Spanien. Das war bitter. Doch die Erinnerung daran ist nun eine Extra-Motivation, damit es hoffentlich bei der WM in China mit einer Medaille klappt.

„Deutschland hat das Talent, um sehr weit zu kommen“

Wirst du am Turnier teilnehmen?

Das habe ich auf jeden Fall vor.

Du hast ja schon erwähnt, dass in eurem Kader viele bekannte Namen zu finden sind – Mills, Dellavedova, Ingles oder Baynes, um nur ein paar zu nennen.

Und im Vergleich zu Rio 2016 werden wir in China noch mehr Talent im Kader haben. Beispielsweise wird diesmal auch Ben Simmons von den Philadelphia 76ers dabei sein. Daher sind wir optimistisch, haben aber eine extrem schwierige Vorrunden-Gruppe vor der Brust.

In Gruppe H geht es für euch gegen Kanada, danach gegen Senegal und schließlich gegen Litauen.

Die Kanadier haben selbst sechs oder sieben NBA-Spieler in ihren Reihen, während die Litauer traditionell sehr stark sind. Ich würde sogar sagen, Litauen gehört zu den Top-fünf-Basketball-Nationen der Welt. Und Senegal ist die große Unbekannte, bei der wir nicht wirklich wissen, was uns erwartet. Dennoch müssen wir unbedingt versuchen, die Gruppenphase als Erster abzuschließen. Aber auch danach wird es nicht einfacher – spätestens im Viertel- oder Halbfinale würden wir auf die USA treffen …

Schätzt du denn auch die deutsche Mannschaft als Gefahr im Kampf um die Medaillen ein?

Die Deutschen gehören zu einem Kreis von vielen Mannschaften, die das Talent besitzen, sehr weit zu kommen. Mit Dirk Nowitzki hat das Team jahrelang viele Erfolge gefeiert – ich denke, daran wollen sie nun mit ihrem neuen Anführer Dennis Schröder anknüpfen. Zwar hatte Schröder in dieser Saison bei Oklahoma City eine kleinere Rolle als in Atlanta. Dennoch ist er ein Top-Spieler, der furchtlos ist und enorm viel Spaß am Zocken hat.