Dank dem „besten Kollektiv Europas“: Bonn holt ersten Titel der Vereinsgeschichte
Die Telekom Baskets Bonn gewinnen die FIBA Basketball Champions League und holen sich nach acht verlorenen Endspielen den ersten Titel der Vereinsgeschichte.
Zweimal hatte Tuomas Iisalo vergeblich versucht, TJ Shorts zu rekrutieren, im Sommer 2022 schaffte es der Bonner Head Coach schließlich, den Spielmacher in sein Team zu losten. „Im [vergangenen] Sommer habe ich ihn angerufen und ihm gesagt: ,Ich bin dumm, aber nicht so dumm. Lass mich den gleichen Fehler nicht dreimal nacheinander machen’“, blickte Iisalo auf der Pressekonferenz nach dem Endspiel in der FIBA Basketball Champions League zurück. „Wir beide hatten das Gefühl: Wenn wir unsere Kräfte bündeln und das passende Team um uns herum aufbauen, dann können wir die Welt schocken.“ Und das haben sie.
Mit 77:70 bezwangen die Telekom Baskets Bonn im Finale Hapoel Jerusalem, nachdem sie zwei Tage zuvor den favorisierten Gastgeber Unicaja Malaga mit 69:67 ausgeschaltet hatten, und holten sich den ersten Titel der Vereinsgeschichte. Vor dem Final Four hatte kein einziger General Manager der Top-16-Teams in einer Umfrage Bonn den Titel zugetraut.
Ein weiterer Akt der Geschichtsschreibung: In ihrer 28-jährigen Vereinsgeschichte hatten die Bonner fünfmal in den BBL-Finals und dreimal in einem Pokalendspiel den Kürzeren gezogen, nun kann der Club endlich das „Vize“ streichen. Eigentlich könnte der Club seinen früheren, leicht ironisch angehauchten Slogan „Second to none“ wieder auspacken bzw. in „Second to one“ umformulieren… Nach ALBA BERLIN (Gewinn des Korac Cups 1995), dem SYNTAINICS MBC (FIBA EuroCup Challenge 2004), der BG Göttingen (EuroChallenge 2010) und den FRAORT SKYLINERS (FIBA Europe Cup 2016) sind die Bonner zudem das fünfte deutsche Team, das den Titel eines europäischen Wettbewerbs gewinnt.
Der größte Erfolgsgarant war wieder einmal TJ Shorts: Mit einem Champions-League-Final-Rekord von 29 Punkten führte er sein Team an, der Ballhandler gab stellenweise ein Pick-and-Roll-Clinic zum Besten (15 Punkte in neun Possessions). Im vierten Viertel wehrte der Spielmacher die Comeback-Versuche Jerusalems ab, zudem hatte Shorts zwölf der ersten 25 Punkte seines Teams erzielt. So lagen die Bonner in den letzten 37 Minuten der Partie in Führung.
Doch auch andere Spieler setzten Akzente: Wie schon beim Viertelfinalsieg gegen Strasbourg, durch den die Bonner ins Final Four eingezogen waren, holte sich Tyson Ward den entscheidenden Offensiv-Rebound in der Crunchtime. Sebastian Herrera traf nach der Pause wichtige Dreier. Javontae Hawkins zeigte sein Mismatch-Potential. Und Collin Malcolm bestätigte seinen starken Halbfinalauftritt, der Forward avanciert zum vielleicht meistverbesserten Bonner Spieler im Saisonverlauf.
So machte Iisalo auf der Pressekonferenz auch deutlich: „Ich denke nicht, dass es im europäischen Basketball ein besseres Kollektiv gibt.“ Auch wenn die Bonner in der Crunchtime des Halbfinals offensiv strauchelten, auch wenn sie im Finale an den Brettern nicht wie gewohnt überzeugten, sie fanden einen Weg, sich dennoch durchzusetzen. „Unser Motto ist: finde einen Weg, zu gewinnen“, hatte Iisalo nach dem Erfolg im Halbfinale erklärt. Der Trainer beschrieb seine Truppe als „Mentalitätsmonster“.
Während die Bonner also ihren ersten Titel der Vereinsgeschichte gewannen, feierte auch Iisalo seinen ersten Titel – überhaupt, war er doch nach eigener Aussage „nur ein durchschnittlicher Spieler, den die Teams wie die Pest gemieden hatten.“ Das hat sich geändert, kein Trainer hat in den vergangenen Jahren in der deutschen Beletage eine größere Cinderella-Story geschrieben als der Finne. Womit man den Kreis zu seiner rechten Hand auf dem Parkett schließen kann, trägt TJ Shorts doch deswegen die Nummer 0, weil er nach seiner High-School-Zeit und seinem ersten Jahr am Junior-College null Angebote für Stipendien erhalten hatte.
„Ein Zitat, dass bei mir im Sommer [von 2021] hängengeblieben ist, stammt von der englischen Schriftstellerin Zadie Smith: „Resign yourself to the lifelong sadness that comes from never being satisfied.“ Auf diese Weise betrachte ich auch das Coaching“, hatte Iisalo im basketball.de-Podcast vor der Saison gesagt und damit seine Zielsetzung und seinen Arbeitseifer angedeutet. Zufrieden wird Iisalo nun aber zumindest für einen Abend sein – der den Titel schon jetzt in seine Vita einordnet: „Ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen in 20 Jahren, wenn wir uns auf den Bahamas betrinken.“