3×3-Basketball: Mehr als nur die kleine Schwester des Fünf-gegen-Fünf

3×3-Basketball boomt. In Hamburg fand jüngst ein Quali-Turnier für die FIBA World-Tour statt. Malik Müller und Jacob Mampuya vom Team Düsseldorf und Bastian Landgraf vom Team Bielefeld waren auch dabei.

Der 3×3-Basketball ist auf dem Vormarsch – und das nicht zuletzt aufgrund des Debüts der jungen Sportart bei den kürzlich beendeten Olympischen Spielen in Tokio. Auch wenn sich weder bei den Damen, noch bei den Herren deutsche Athleten qualifizieren konnten: Die moderne Basketballdisziplin boomt und bewegt sich in die Öffentlichkeit. So auch in diesem Sommer in Deutschland.

Immer mehr Turniere des Spiels mit Vierer-Teams (ein rotierender Wechsel) auf einen Korb finden auf zentral gelegenen Plätzen in deutschen Großstädten statt. Nebenbei wummern bei der professionalisierten Variante des Streetballs satte Bässe aus US-Hip-Hop oder Deutsch-Rap über die Courts. Damit sollen insbesondere junge Menschen angelockt werden, die kostenfrei bei den Events zuschauen können. Dabei erhöhen die kurze Spielzeit von zehn Minuten oder bis 21 Punkte (außerhalb der Dreier-Linie zählt ein Korb zwei, innerhalb einen Punkt), die spannenden Turniermodi im „Do or Die“-Prinzip und die permanenten direkten Duelle unter dem Korb sowie ständige Abschlüsse die Spannung und Kurzweiligkeit im Vergleich zum klassischen Hallenbasketball.

Während Landesverbände wie der Niedersächsische (NBV) und der Westdeutsche Basketball-Verband (WBV) eigene Sommertouren mit offenen Anmeldemöglichkeiten für Jedermann und -frau in U18- und Erwachsenenwettbewerben aufziehen, ging es am vergangenen Wochenende in Hamburg mehr als nur eine Nummer höher hinaus. Im Rahmen der DBB-3×3-Tour traten auf dem Spielbudenplatz an der Hamburger Reeperbahn 16 der derzeit besten europäischen Herrenteams der Sportart gegeneinander an. Es ging um ein fünfstelliges Preisgeld und die Teilnahme für ein Masters der FIBA-World Tour, der höchsten Ebene im 3×3.

Das Turnier auf St. Pauli labelte dabei als sogenannter Challenger, der zweithöchsten FIBA-Ebene, bei der die Finalisten ein World-Tour-Ticket erwerben. Am Ende triumphierte bei dem international dominierten Turnier das litauische Team Utena gegen die Serben aus Liman. Letztere traten dabei nicht nur mit zwei frisch gekürten Bronzemedaillengewinnern der Olympischen Spiele an, sondern das Quartett des Weltranglistenersten Liman stellt mit Aleksandar Ratkov und Mihailo Vasic auch die derzeit besten 3×3-Spieler laut FIBA-World-Ranking. Stars der Szene.

Zwar schieden mit Bielefeld, Bonn und Düsseldorf die für das Hauptturnier qualifizierten deutschen Teams in der Gruppenphase aus. Alle drei zeigten jedoch in jeweils zwei engen Partien gegen internationale Spitzenformationen, dass sie auf dem Niveau mithalten können. 3×3-Bundestrainer Matthias Weber meinte, die heimischen Teams müssten sich „noch mehr an die internationale Härte und Geschwindigkeit gewöhnen, abgezockter werden.“

Was die beteiligten Spieler von den Mannschaften aus Bielefeld (Bastian Landgraf) und Düsseldorf (Malik Müller und Jacob Mampuya) im Anschluss so dachten, verrieten sie im Gespräch mit basketball.de.

Jacob Mampuya vom Team Düsseldorf beim Sprungwurf

Jacob Mampuya: „Wir wollen Pioniere der Sportart sein und Leute für 3×3 begeistern“

Die beiden Basketballer Jacob Mampuya und Malik Müller brennen seit Kindesbeinen für Basketball. Im Frühjahr haben die langjährigen Zweitligaspieler (Müller spielte 2019/20 in der Erstliga-Premierensaison für die Hamburg Towers) jedoch den Absprung von der klassischen Variante hin zur aufstrebenden jüngeren Schwester gewagt. Mit Team Düsseldorf soll es hoch hinaus gehen. „Wir wollen Pioniere in der Sportart sein und die Leute für 3×3 begeistern“, sagt Mampuya. Er habe im Winter die Motivation für das Fünf-gegen-Fünf verloren. Da tat sich in der Sportstadt Düsseldorf die Chance mit dem 3×3-Projekt und der Vereinsgründung „3×3-Academy Düsseldorf“ auf.

Zudem kann der 26-Jährige seine Fähigkeiten im Zug zum Korb noch besser ausleben. Denn Abschlüsse jedes Einzelnen sind im 3×3 logischerweise viel häufiger, zumal die Angriffszeit auf der Shot-Clock nur zwölf Sekunden beträgt. „Wichtig ist, dass wir weiter Erfahrungen sammeln“, erklärt Mampuya, der in seinem Team mit Müller, Kevin Bryant, Shawn Gulley und bei Bedarf dem fünften Mann Deion Giddens demnächst bei FIBA-Events in Utrecht und Riga am Start sein wird. Giddens, der als Familienvater einem Vollzeitjob nachgeht, ist als Joker Gold wert, wie Müller – „nebenbei“ Musikproduzent – betont: „Wenn einer doch mal verhindert ist, sind wir flexibel.“ Während einer Verletzungspause in der vergangenen Saison hat der Fernwurfspezialist des Quartetts gemerkt, dass er lieber mit 3×3 ein neues Abenteuer starten will.

Teilnahmen an Turnieren wie in Hamburg haben für Müller allerdings nahezu immer Priorität: „Das war schon ein dopes Event. Schade, dass die Zuschauer begrenzt und das Gelände wegen Corona nach außen abgesperrt war.“ Immerhin gelang Müllers Team ein 18:17-Vorrundensieg gegen Team Graz, eine erfahrene 3×3-Formation. Aufgrund des verlorenen Dreiervergleichs mit dem litauischen Team Sakiai und Graz ereilte den Basketballern aus der NRW-Landeshauptstadt jedoch trotzdem das Aus.

Malik Müller (2.v.l.) vom Team Düsseldorf beim Turnier in Hannover

Malik Müller: „Die nahe Begleitung durch Social Media wird dabei helfen, die Sportart auf ein anderes Level zu heben“

Müller hebt hervor: „Wir haben uns das alles selbst erarbeitet, das ist das faszinierende am 3×3.“ Zudem kam Team Düsseldorf wie Bielefeld zu Gute, dass sie sich zu einem Zeitpunkt für die Sportart entschlossen, wo 3×3 sich noch nicht annähernd mit dem klassischen Basketball vergleichen kann. „Wir hoffen und glauben aber, dass es ein großes Ding wird“, ist Mampuya gespannt, was die Entwicklung in den nächsten Jahren bringen wird. Müller wirft ein, dass 3×3 – ohne Trainer bei Turnieren – mental entspannter sei und jede Aktive und jeder Spieler sich frei entfalten könne.

Während Müller und Bryant die berühmte Urspringschule Ehingen besuchten, lernten sich Mampuya und Gulley vor rund zehn Jahren in Berlin kennen. Bis auf Letztgenanntem besuchten alle nach dem deutschen Schulabschluss US-Colleges und saugten dort Basketball nochmal ganz anders auf.

Dass die Chemie im Quartett passt, liegt auch daran, dass alle vier 26 und 27 Jahre alt sind. Ein Traum ist die Olympia-Teilnahme mit Deutschland 2024, auf dem Weg nach Paris sind EM und WM sowie auf Vereinsebene die regelmäßige Teilnahme an der World Tour gleichzeitig Fernziel und Maß der Dinge.

Ein Ende der Corona-Beschränkungen würde die lebhafte Disziplin hierzulande womöglich mehr nach vorne pushen, als es bei etablierten Sportarten der Fall ist. Malik Müller erzählt: „Ich denke, die nahe Begleitung durch Social Media wird dabei helfen, die Sportart auf ein anderes Level zu heben.“ Mampuya blickt derweil gelassen voraus: „Es macht mir riesigen Spaß, 3×3 zu spielen, und ich freue mich einfach auf die Zukunft.“

Bastian Landgraf vom Team Bielefeld im Spiel gegen Skopje in Hannover

Bastian Landgraf: „Bei immer mehr Leuten ist 3×3 auf dem Schirm“

Bastian Landgraf ist ein echter Lokalmatador aus dem ostwestfälischen Oberzentrum. Der 26-Jährige arbeitete schon als Spieler des TSVE Bielefeld in der 2. Regionalliga seit Jahren professionell an seiner Fitness und Beweglichkeit. Diese Mühen machen sich nun bezahlt: Seit sich seine Mannschaft im Frühjahr 2020 gründete – während des ersten Corona-Lockdowns erkannte TSVE-Basketballabteilungsleiter und 3×3-Vorreiter Emre Atsür die Flexibilität, Offenheit und Potenziale der Sportart –, ging die Entwicklung in den professionellen Bereich bis hin zum Kontakt zur Weltspitze rasant.

Nun das Highlight in Hamburg, bei dem es ein 16:21 gegen Liman und ein 17:21 gegen Nantes gab. „Wir waren wieder nah dran, hier zumindest ein Spiel zu gewinnen“, sagte ein verärgerter Landgraf im Anschluss des Turniers. Von der Organisation der Veranstaltung auf einem mobilen, überdachten Court mit kleiner Tribüne und digitalen Werbebanden zeigte er sich beeindruckt. So wohnte er der Veranstaltung auch bei den Finalspielen am Samstag noch bei, um als aufmerksamer Beobachter sich Skills von den besten 3×3-Athleten Europas abzuschauen. Landgraf erklärt: „Man merkt, dass die Spitzenspieler nach den Olympischen Spielen wieder auf die FIBA-Ebene zurückkehren.“

Als Mitglied des 3×3-Nationalkaders gilt Landgraf mittlerweile als Leistungssportler. „Wir hatten zuletzt aufgrund von Arbeit und Studium leider zu wenig gemeinsame Einheiten“, erzählt der 26-Jährige. Seit einem guten Vierteljahr agiert Landgraf in der aktuellen Formation mit seinem Bielefelder Spezi Alan Boger sowie den vom 3×3-Projekt überzeugten Jannik Lodders (zuvor Phoenix Hagen) und Samuel Mpacko zusammen. Genau wie das Team Düsseldorf trainieren sie ausschließlich 3×3. Dennoch möchte Landgraf versuchen, sich mit seinen Mitspielern in diesem Sommer noch für einen World-Tour-Stop zu qualifizieren. Langfristig werde die Sportart auch in Landgrafs ostwestfälischer Heimat und in Deutschland womöglich attraktiver für Kinder und Jugendliche mit veränderten Freizeitgewohnheiten sein.

Schließlich ist 3×3-Basketball schneller und unverbindlicher als die klassische Variante mit fünf Spielern auf dem Feld, weil pro Turnier neu über die Teilnahme entschieden werden kann im Gegensatz zu einer Saison. Dass die Sportart durch Corona seine Offenheit für ein spontanes Publikum verloren hat, sieht Landgraf nur als zeitweilige Einschränkung. „Bei immer mehr Leuten ist 3×3 auf dem Schirm“, glaubt Landgraf. Er erwarte einen natürlichen Prozess dahingehend, dass die Sportart weiter an Reichweite gewinnt, mediale Präsenz und Werbeeinnahmen generiert. Er schließt: „Auch wer jahrelang nur Fünf-gegen-Fünf gespielt oder geschaut hat, wird 3×3 irgendwann ausprobieren.“