Use our Head

Die Brose Baskets laufen in der Offensive einen Spielzug, den auch andere Bundesligateams übernommen haben. Doch die Grenzen gehen über die BBL hinaus.

Benutze deinen Kopf. Das gilt für jedes Lebewesen mit gesundem Menschenverstand in allen Lagen; gerade heute scheint Common Sense wichtiger denn je. Im Basketball kommt er vor allem dann zum Tragen, wenn es um ein System und hierbei um verschiedene Plays geht. Nehmen wir die Offensive: Zwar mag der Trainer Anweisungen geben, aber oftmals ist es auch an den Spielern gelegen:

Welchen Spielzug sollen wir laufen? Welche Akteure stehen bei dem Gegner auf dem Parkett, wie sehen die Matchups aus? Welcher meiner Mitspieler ist gerade heiß? Welchen Akteur habe ich zu helfen, damit er in die Gänge kommt? Wie gehen wir am einfachsten an die Freiwurflinie? Das sind einige der Fragen, die sich ein Point Guard mit Start der herunterlaufenden 24 Sekunden durch den Kopf gehen lassen wird, ehe er ein Spielzug ansagt.

„Use our Head.“ Bambergs Trainer Andrea Trinchieri dürfte beim Scouting vieler Bundesligateams innerlich mit diesen Worten vor dem Bildschirm sitzen. Die Brose Baskets laufen seit Saisonbeginn einen Spielzug namens „Head“, den auch einige andere BBL-Teams in ihr Repertoire aufgenommen haben: ALBA BERLIN, die BG Göttingen, der FC Bayern München, die FRAPORT SKYLINERS, die GIESSEN 46ers und der Mitteldeutsche BC haben ihn in dieser Saison schon genutzt. Vielleicht noch mehr.

Das Play zeichnet sich dadurch aus, dass ein kleiner Spieler mit Ballhandling-Fähigkeiten als Blocksteller in Erscheinung tritt – eher eine ungewöhnliche Aktion, bekommt doch ein solcher Spieler eher Blocks gestellt. Jener Spieler tut das, wenn sein Team ein Pick-and-Roll läuft – er setzt einen Screen in die Rücken des gegnerischen Big Man, der jenes Pick-and-Roll verteidigt. Eine grafische Erklärung Aktion für Aktion ist in der Taktik-Analyse über die Brose Baskets zu sehen.

Was im Video ersichtlich wird: Der Spielzug beginnt schon vorher. Denn der Ball will bewegt, die gegnerische Verteidigung beschäftigt werden. Die Bamberger tun dies mit  Staggered-Cross-Screens an Höhe der Freiwurflinie und anschließendem Down-Screen. Somit ist kaum eine Sequenz auszumachen, in der Stagnation herrscht, in der die Verteidigung genügend Zeit hat, nachzudenken und sich zu ordnen.

„Das ist das, was die Bamberger so großartig daraus machen: den Ball bewegen“, macht auch Frankfurts Trainer Gordon Herbert im Gespräch im basketball.de deutlich. „Es ist ein guter Spielzug, um den Ball durch viel Bewegung in den Post zu bringen. Es ist einfach ein Play, das nicht eindimensional ist.“ In der Aktion gegen die Crailsheim Merlins finden die Bamberger auch den abrollenden Big Man per Alley-Oop.

Bei dieser Anerkennung ist es wenig verwunderlich, dass auch Herbert diesen Spielzug ab und ab auf sein Taktikbrett zeichnet. „Wir hatten ja durchaus einige Schwierigkeiten, sie zu verteidigen, als wir gegeneinander gespielt haben“, erklärt Herbert auf Nachfrage von basketball.de, ob er jenen Spielzug Bambergs in sein System übernommen habe. „Wir hatten uns bereits vorher überlegt, es zu integrieren – und nachdem wir gegen sie gespielt haben, haben wir uns entschlossen, ihn auch wirklich in unsere Offensive mit aufzunehmen.“

Am achten Spieltag Mitte November hatten die Bamberger gegen die Frankfurter in der zweiten Halbzeit immer wieder auf diesen Spielzug zurückgegriffen; der Meister fand wieder zurück ins Spiel – musste letztlich aber dennoch die zweite und bisher letzte Saisonniederlage hinnehmen.

Auch wenn Konstantin Klein in beiden Aktionen nicht (erfolgreich) abschließen kann, laufen die Frankfurter diesen Spielzug ganz gut. Zum einen gehen sie das Play flüssig durch und finden den richtigen Ausstieg (in der Partie gegen Bamberg verlaufen Pop-out und Pass nicht optimal); zum anderen stimmt das Spacing – ein essentieller Bestandteil im System Herberts. Die anderen beiden nicht direkt in den Spielzug involvierten Akteure stehen in den Ecken und machen damit das Halbfeld größtmöglich weit.

Interessant ist hierbei natürlich, dass die Skyliners gerade gegen Bamberg das Play auspacken. Welchen Schaden der Spielzug anrichten kann, ist bei Larnacas Verteidigung auszumachen – Klein steht ganz offen, da sich dessen Verteidiger nicht zwischen Switch und Help-Defense für den Dreierschützen und den abrollenden Big Man entscheiden kann.

Was die Skyliners in der ersten Aktion außerdem tun: einen Einstieg wählen, durch den sie schon einen Switch erzwingen – eine Initialzündung, um die Verteidigung auseinanderzunehmen.

Anders sah es im letzten Aufeinandertreffen zwischen Berlin und München in der Beko BBL aus. Die Albatrosse agieren ohne Einstieg und sehr zaghaft; in beiden Fällen – vor allem im Berliner – handelt es sich nicht um gutes Spacing, es mangelt zudem am richtigen Timing.

Wobei die Berliner in dieser Aktion nicht den gleichen Spielzug laufen. Stattdessen stellt der zweiten Big Man einen Block in den Rücken des Pick-and-Roll-Verteidigers.

Apropos Variationen: Die Bamberger selbst haben Änderungen an diesem Spielzug vorgenommen und wählen mitunter folgenden Ausstieg: Statt wirklich einen Back-Screen zu stellen, poppt der Ballhandler direkt zur Dreierlinie heraus – tut dies aber aus der Zone, in bzw. aus der er normalerweise den Blocksteller gibt. Die Frankfurter waren darauf nicht vorbereitet:

Selbstverständlich findet man dieses Play nicht nur in der BBL, sondern beispielsweise auch in der Euroleague – u.a. Barcelona nutzte dies im Spiel gegen Bamberg – und der NBA. Gibson Pyper, der auf Twitter unter dem Namen HalfCourtHoops viele Spielzüge vor allem aus der NBA seziert, hat dieses Play auch bei den Washington Wizards gefunden und es mit „Slice Stagger Spain“ betitelt.

Auch die Boston Celtics und Utah Jazz nutzen den Spielzug samt Back-Screen, wie Pyper auf Nachfrage erklärt; Teams wie die New Orleans Pelicans und Oklahoma City Thunder verzichten auf diesen Back-Screen, stattdessen splitten die beteiligten Spieler auseinander.

Basketball ist Kopfsache. Und nutzt man diesen, holt man sich Einflüsse über Länder- und Ligengrenzen hinaus. Kein Spieler, kein Coach, kein Team existiert in einem Vakuum. FIBA und NBA-Basketball mögen in ihren Regeln feine Unterschiede aufweisen, doch gerade solche Plays zeigen, dass Kreativität diese überwindet.

Danke an Johannes Hübner für die Hinweise zu Plays aus der NBA