Will Cummings: will.i.am

Will Cummings führt als MVP die Offensive der EWE Baskets Oldenburg an – so sehr, dass beim Topscorer der Liga auch James-Harden-eske Züge auszumachen sind.

Es steckt ein James Harden in Will Cummings. Das Offensichtliche zuerst: Beide Guards haben in dieser Saison ihre Ligen beim Scoring angeführt: Cummings mit 20,5 Punkten pro Partie, Harden mit 36,1 Zählern – Werte, die in der BBL (zuletzt 2007/08 mehr) und NBA (zuletzt 1986/87 mehr) lange nicht erreicht wurden. „Points Guards“ eben.

Mit Blick auf Hardens und Cummings’ Offensivspiel: Beide sind die Zentralgestirne ihrer Teams, die vor allem aus dem Eins-gegen-Eins sowie Pick-and-Roll kreieren und dabei auf den Dreiklang aus Dribbling, Drives und Dreier setzen. Manche Kritiker sehen ein wenig zu viel Theatralik beim Suchen des Kontakts mit ihren Gegenspielern. Gemeinsamkeiten lassen sich derweil bis auf die Nuancen des Jubels finden.

Eine Blaupause dieser Offensivkünste war Mitte des dritten Viertels der zweiten Playoff-Partie gegen die Telekom Baskets Bonn auszumachen: Die Wurfuhr tickt herunter, Cummings läuft mit Rasid Mahalbasic ein Pick-and-Roll, Cummings’ Verteidiger Yorman Polas Bartolo bleibt dran – sieht sich kurz darauf aber auf der Eisfläche. Mit einem Crossover-Dribbling bringt Cummings den frisch gekürten Verteidiger des Jahres außer Balance. Cummings lässt einen step-back folgen und trifft seinen Sprungwurf. Neun-Punkte-Führung Oldenburg, Auszeit Bonn. Im Zurückgehen schaltet Cummings endgültig in den Harden-Modus – und packt dessen Signature-Move der Feiergestik aus: „stirring the pot“.

MVP vs DPOY: „Wir haben gerade eine kleine Rivalität am Laufen“

Als ich Cummings auf jene Harden-eske Geste nach dem Spiel anspreche, muss Cummings laut lachen. Es scheint eher spontan aus ihm ausgebrochen zu sein. „Wir haben gerade eine kleine Rivalität am Laufen – immerhin habe ich den Verteidiger des Jahres  gegen mich. Das ist aber alles Spaß und einfach die Natur des Wettbewerbs. Es sind Playoffs – da sucht man den Wettstreit“, führt Cummings durch die Szene und sein Duell mit Bartolo.

„Das ist ein richtig interessantes Matchup für alle: der MVP der Saison gegen den Verteidiger des Jahres“, findet auch Bonns Coach Chris O’Shea. Nachdem Bartolo im Auftaktspiel in der ersten Hälfte Cummings übernommen, nach der Pause aber hauptsächlich Josh Mayo die Verteidigung des Oldenburger Go-to-Guys überlassen hatte, erhielt Bonns Defensivkraftpaket im zweiten Spiel über noch längere Zeit die Bewacherrolle Cummings’.

„Yorman hat einen richtig guten Job gemacht – besonders in der ersten Halbzeit“, spielt O’Shea auf Cummings’ eher ruhigen zehn Punkte (4/11 FG) zur Pause an. „Irgendwann müssen wir aber eine zweite Option finden“, erklärt O’Shea, dass Bartolo nicht die vollen 40 Minuten Cummings verteidigen kann. Olivier Hanlan machte – wie schon im ersten Spiel – ebenfalls einen ordentlichen Job gegen Cummings, mehr Verteidiger schickte O’Shea im zweiten Duell aber nicht gegen den Liga-MVP.

Was ist eigentlich die Herausforderung, so viele verschiedene Verteidiger gegen sich zu haben? „Für mich ist es das gleiche – mir geht es mehr um meine Kondition. Sie setzen jeden, den sie haben, gegen mich. Jeder Verteidiger gibt dir auch unterschiedliche Dinge – du musst dir all das merken und dann im richtigen Moment deine Offense ausführen“, erklärt Cummings. Zu den Sweet-Spots gelangen? Will I Am! „Bartolo ist ein großartiger Verteidiger. Wenn ich ihn gegen mich habe, muss ich ruhig bleiben, meine Spots auf dem Parkett finden und wissen, wann ich attackiere.“

„Manchmal schauen mich meine Mitspieler an im Sinne von: ,Wir brauchen jetzt einen Korb.’“

So wie in anfangs beschriebener Szene im dritten Viertel. Cummings’ Wurf ist eingebettet in einen 14:0-Lauf, mit dem sich die Oldenburger von zwei auf 16 Punkten Differenz absetzen. Cummings legt in dieser Phase vier Punkte auf und findet mit Philipp Schwethelm einen Distanzschützen, im gesamten dritten Viertel dirigiert Cummings die Oldenburger Offensive mit neun Zählern und zwei Assists.

„Wenn es bei uns beginnt, zu hapern, schauen mich meine Mitspieler manchmal an im Sinne von: ,Wir brauchen jetzt einen Korb.’ Den Teil versuche ich dann einfach zu übernehmen – woraus auch meine Mitspieler Selbstvertrauen ziehen können.“

An Selbstvertrauen mangelt es diesem Oldenburger Team nicht, vielmehr versteht es der Hauptrundenzweite, den oft zitierten Schalter umzulegen und innerhalb kürzester Zeit heißzulaufen. Das dritte Viertel der zweiten Partie ist ein Beispiel, zum Playoff-Auftakt hatten die Oldenburger zudem durch einen 19:2-Lauf Mitte des vierten Durchgangs die Partie gedreht.

„In der Halbzeit hatte ich die Jungs an unser Spiel gegen Ulm erinnert: In der ersten Halbzeit lagen wir mit bis zu 13 Punkten zurück, doch nach wenigen Minuten hatten wir das Spiel ausgeglichen. Mit dem richtigen Mindset können wir ein Spiel so schnell drehen“, führt Cummings einen weiteren Beweis für den Oldenburger Schalter an.

Diesen umzulegen, schreibt man großen Teams auch bei Playoff-Start zu. Mit Beginn der Postseason müssen sich die Oldenburger nun mit einem anderen Spielplanrhythmus auseinandersetzen. Manche Experten hatten sich gefragt, wie das Team – ohne Doppelbelastung mit einem internationalen Wettbewerb – mit mehr Spielen umgehen würde. Dabei sollte bedachtet werden: Bislang haben die Oldenburger zwölf BBL-Partien bestritten, in denen drei Tage oder weniger Pause dazwischen lagen – zehn davon gewannen die Niedersachsen. 

Dreier und Drives: Cummings bestraft Bonn in der Serie, wenn seine Verteidiger unter dem Block beim Pick-and-Roll gehen. Und mit seiner Schnelligkeit ist der Guard beim Drive kaum zu halten.

„Mehr Spiele die Woche spielt uns in die Karten“

„Diese Mannschaft ist dafür gemacht, zwei Spiele die Woche zu absolvieren – viele Leute wissen das nicht. Unser Mindset ist bereits darauf gelegt, nun immer weiterzuspielen. Immer weiter. Mehr Spiele die Woche hat uns nicht geschockt, wir begrüßen das mit offenen Armen. Das spielt uns direkt in die Karten“, skizziert Cummings den Charakter der Mannschaft.

Daran knüpft auch Mladen Drijencic an: „Fast alle Spieler meiner Mannschaft haben schon viele Playoff-Spiele gemacht. Diese Doppelbelastung war ein Ziel.“ Für Drijencic auch persönlich: „Das ist meine vierte volle Saison als Head Coach – auch für mich war es das erste Mal, nur ein Spiel die Woche zu haben.“ Grinsend führt Drijencic aus: „Meine Frau hat mich durch das Haus gejagt, etwas zu machen – ich hatte so viel Freizeit. Jetzt sind Playoffs – und man hat nichts anderes zu tun. Dafür leben wir.“

Und Will Cummings lebt für die großen Momente. Solche könnten für Oldenburg noch häufiger folgen – wie durch ein Halbfinale gegen ALBA BERLIN, das nicht nur über einen BBL-Finalisten, sondern auch über einen EuroLeague-Teilnehmer 2019/20 entscheiden könnte. Im vergangenen Hauptrundenspiel gegen die Albatrosse legte Cummings 34 Punkte auf, seitdem erzielt er 23,4 Punkte pro Partie.

Wir könnten also noch öfter die „Stirring the pot“-Bewegung sehen. Wofür das Topfumrühren genau steht, hat James Harden bislang übrigens nicht verraten wollen. Vielleicht ist es eine Metapher dafür, verschiedene Zutaten – und damit sein Offensiv-Skillset – zusammenzurühren. Oder seinen Verteidiger durch Dribblingkünste in den Mixer zu stecken. Oder man muss umrühren, weil etwas so heiß ist, dass es sonst anbrennt. Egal, wie man „stirring the pot“ definiert, es trifft auf Harden und Cummings in dieser Saison gleichermaßen zu.


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