Wem gehört die NBA? (4) – Die Spieler
Zum Start der neuen NBA-Saison diskutieren wir in vier Teilen darüber, wem die stärkste Basketballliga der Welt gehört. Im vierten und letzten Teil geht es um die Spieler.
Nachdem in den letzten zwei Teilen die Fans und die Eigentümer*innen als Akteure kritisch unter die Lupe genommen wurden, soll sich der letzte Part des Essays mit den Spielern auseinandersetzen, um abschließend die Frage zu beantworten, wem denn nun die Liga gehört und welche Konsequenzen das für die NBA hat. Doch zuerst soll der wichtigste Akteur des Spiels um den orangefarbenen Ball durchleuchtet werden. Gibt es wirklich eine „Players League“, wie es in den letzten Jahren immer wieder behauptet wurde? Welche Macht haben die Spieler wirklich? Und welche Rolle spielt dabei ihre Gewerkschaft, die NBPA?
Wer vor dem Draft die Gerüchte um einen Trade von James Harden verfolgt hat, ist wohl allerspätestens im Zach Lowe Podcast vom 16. November mit Brian Windhorst über den Begriff des Player Empowerments gestoßen (ab 04:14). Wann immer ein Spieler in jüngster Zeit mutmaßlich Tradeforderungen stellt, ist die versammelte Medienlandschaft schnell dabei, von dem Zeitalter der Selbstermächtigung der Profis zu reden. Damit soll eine Liga beschrieben werden, die in all ihren Facetten mehr und mehr von den Spielern bestimmt wird. Doch auf welche Ebene bezieht sich dieser Begriff überhaupt und kann es Sinn ergeben, diesen zu nutzen?
Der Mythos der Players League
Wenn Begrifflichkeiten rund um eine angebliche Machterweiterung von Profis genutzt werden, soll eigentlich nur eine spezielle Ebene gemeint sein: die sportliche. Selbstverständlich sind die Menschen, die Basketball in der NBA spielen, für das sportliche Abschneiden ihrer Teams verantwortlich. Doch sie können eben nicht – oder nur sehr begrenzt – wirklichen Einfluss auf die organisatorische Ebene nehmen.
Wie bereits im letzten Teil geschildert, ist die Struktur der NBA darauf ausgelegt, den Eigentümer*innen möglichst viel Macht zu erhalten. Und trotzdem kann eine Aussage, nach der sich die NBA in eine Players League verändert, ein Stück Wahrheit beinhalten.
Die These einer stärkeren Position von Spielern stammt aus einem Kontext, der durch strukturelle Ohnmacht geprägt ist. Spieler konnten für eine lange Zeit in der NBA nicht aus freien Stücken ihr Team wechseln und als Unrestricted free agent den Markt testen. Was für uns heutzutage zum festen Bestandteil einer Off-Season gehört, war lange Zeit eben nicht möglich. Wollte ein Spieler wechseln, musste er sich mit seiner Heimatfranchise auf eine Lösung verständigen, da er sonst dort bleiben musste.
Auch die bis heute existierende Möglichkeit von Trades ist in ihrer Anlegung nicht darauf aus, dass ein Spieler mal eben einfach so „Nein!“ sagen kann. Er muss akzeptieren, wohin er getradet wird. Zwar haben Beispiele wie Kyrie Irving oder Anthony Davis in jüngster Zeit aufgezeigt, wie man als Spieler darauf Einfluss nehmen kann, doch die Struktur bleibt dadurch unangetastet. Ist man kein Superstar oder zumindest Top-25 Spieler in der NBA, bleiben einem wenige Möglichkeiten, einen Trade in irgendeiner Weise abzulehnen.
Gegenmacht durch die NBPA?
Die Aufweichung solcher Regeln und Strukturen, die die Spieler in ihrer Wahlfreiheit extrem einschränken, sind über die Jahrzehnte hart erkämpft worden. Die Eigentümer*innen haben diese Privilegien nicht freiwillig aufgegeben. Deshalb sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass selbst solche wie Mark Cuban oder Steve Ballmer, die sich gerne spielernah zeigen, nicht auf den Schutz ihrer Privilegien achten. Auch sie würden sich dafür aussprechen, dass die Struktur, wie sie momentan ist, so bleibt.
Dass sie nicht so geblieben ist wie vor sechzig Jahren, hat man größtenteils der Organisierung einer Spielergewerkschaft zu verdanken. Sie hat es geschafft, auf der strukturellen Ebene eine Art Gegenmacht zu den Eigentümer*innen zu schaffen und als Gewerkschaft Forderungen durchzusetzen. Wie sehr die Eigentümer*innen der Franchises dagegen waren, zeigt die Gründungsgeschichte der NBPA (National Basketball Players Association).
Eigentlich ist diese schon 1954 durch einen Zusammenschluss (fast) aller Teamkapitäne gegründet worden, doch über zehn Jahre eben nicht als Verhandlungspartner von den Eigentümer*innen akzeptiert worden. Erst nach einer Streikandrohung des All-Star-Games 1964 konnte der Commissioner und dadurch eben auch das NBA Board of Governors überzeugt werden. Seitdem hat die Gewerkschaft als Organ der Spieler ihre Interessen durchgesetzt und ist der Verhandlungspartner für die NBA geworden.
Man darf an diesem Punkt nicht außer Acht lassen, dass die NBA tatsächlich kein Interesse an einer Gewerkschaft hatte. In etwa kann man dies aus moderner Sicht mit der Betriebsgeschichte einiger Start-Ups vergleichen, die ähnlich agieren, weil sie eben auf struktureller Ebene den gleichen Grundkonflikt haben: Arbeitnehmer*innen versus Arbeitgeber*innen. So wie beispielsweise das Finanz-Start-Up N26 über viele Blockaden versuchte, die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern, so agierten auch die Eigentümer*innen der NBA-Franchises. Am Ende ist es halt ein Geschäft und da hindern die Angestellten mit eigenen Forderungen.
Gewerkschaft als Ordnungsfaktor
Die NBPA ist allerdings nicht einfach nur die Gegenmacht, denn sie kann grundsätzliche Verhältnisse in Frage stellen, so zum Beispiel: Wem gehört der Basketball? Wem sollte folglich die NBA „gehören“?
Doch in ihrem Aufgabengebiet sieht die NBPA vor allem die Verbesserung der Situation für Spieler in der NBA. Es könnte einem dabei die folgende Überlegung in den Kopf kommen: Sorgt die NBPA nicht auch als Ordnungsfaktor dafür, dass grundlegende Fragen an die Struktur unterbunden werden? Hält sie nicht selber rebellische Spieler ruhig und versucht diese einzuhegen? In der Theorie könnte die Gewerkschaft nämlich auch dafür sorgen, dass die Liga von den Spielern übernommen wird und diese die Liga ohne Eigentümer*innen veranstalten. Dann müssten die Gesamteinnahmen nicht in einem Schlüssel, der bei knapp 50:50 liegt, zwischen allen Spielern und dem NBA Board of Governors aufgeteilt werden. Wieso passiert genau das nicht?
Man kann an exakt diesem Punkt kritisch auf die Spielergewerkschaft eingehen und ihr vorhalten, dass sie in ihrer Funktion als Interessensvertretung der Spieler nur auf die reelle Verbesserung ihres Klientels interessiert ist, ohne eine strukturelle Veränderung herbeizuführen und die grundlegende Ungleichheit anzutasten. Begründen lässt sich das mit der Problematik der Institutionalisierung der Spielerinteressen.
In der politischen Theorie des letzten Jahrhunderts gab es einige Denker*innen, die sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt haben und zu der Annahme gekommen sind, dass eine Institution in einer bestimmten Struktur eigene Interessen entwickelt, die von der eigenen Basis losgelöst sind und deshalb die Struktur schützt, weil sie von ihr profitiert. Selbst wenn die zu vertretenen Menschen davon nicht profitieren können. Genau diese These stellte Robert Michels in seiner Analyse der frühen SPD aus den Jahren 1907 bis 1911 auf und in den genannten Grundzügen lässt sie sich vermutlich auch auf die Anlegung und die Institutionen des Profisports übertragen.
Wem gehört denn nun die NBA?
Wie ist die Frage zu beantworten, wem die NBA nun gehört? Die Einbettung in die Unterhaltungsindustrie ist der zentrale Faktor einer Struktur, bei der die Liga kapitalistischen Zwängen unterworfen ist und nun einmal profitorientiert handeln muss. Sobald die Fans in Arenen nicht mehr notwendig werden für die Erzielung von Profiten, sind sie ein potentieller Störfaktor, der an den Strukturen rütteln kann und sei es nur mit Schmähsprüchen an James Dolan. Die Fans sind zwar bis heute noch unmittelbarer Teil des NBA-Geschehens, doch ehrlicherweise sind sie auch die machtlosesten.
Sportler sind noch wichtiger und ohne sie kann die Liga nicht stattfinden, doch sie werden in ihren Forderungen eingehegt bleiben. Natürlich wird es nicht eine Mehrheit an NBA-Profis geben, die aktiv eine Umwälzung der Ligaverhältnisse fordert, doch im Grunde könnten sie ohne die Eigentümer*innen spielen. Aus diesem Grund wird auch die NBPA immer ein zentraler Ansprechpartner für die Eigentümer*innen bleiben, denn solange die Profis sich wohlfühlen und nicht auf die Barrikaden gehen, kann die Struktur erhalten bleiben. Lieber ein Stück des Kuchens abgeben, anstelle ihn ganz zu verlieren.
Die NBA ist de facto eine Liga der Eigentümer*innen und das kann ihr langfristig schaden. Insbesondere bei den aktuellen politischen Entwicklungen, wie der noch immer anhaltenden Black Lives Matter-Proteste zeigen sich emanzipatorische Potentiale, bei denen eben die grundsätzlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft hinterfragt werden. Die kritische Analyse der Kapitalisierung des US-Sports und vor allem der NBA liegt dabei quasi auf dem Weg. Also: Wohin willst du gehen NBA? Wohin wollen wir Fans, dass die NBA geht?