Lisa Thomaidis: „Wir wollen in zwei Jahren zu den zehn besten Teams der Welt gehören“
Lisa Thomaidis bereitet aktuell die Frauen-Nationalmannschaft auf die Olympische Spiele vor. Die Bundestrainerin hat aber einige Herausforderungen zu meistern: Drei WNBA-Spielerinnen fehlen noch, Kapitänin Svenja Brunckhorst steht dem Team gar nicht zur Verfügung. Beim Medientraining Ende Juni sprach Thomaidis zudem über die Nominierung von Alexis Peterson, die Ziele für die Frauen-Nationalmannschaft und was sie von Gordon Herbert kopieren würde.
basketball.de: Gordon Herbert sagte mir einmal: „Menschen kopieren Meister.“ Nun ist das Männer-Team unter seiner Ägide als Bundestrainer amtierender Weltmeister. Wenn es eine Sache gäbe, die Sie von seinem Team kopieren würden, was wäre das?
Lisa Thomaidis: Ich finde, dass seine Mannschaft eine gute Teamchemie und einen guten Zusammenhalt hat, seine Spieler kämpfen füreinander und lieben es, zusammenzuspielen. Und das wollen wir auch bei der Frauen-Nationalmannschaft erreichen. In den vergangenen zwölf Monaten ist es uns gelungen, über unserem Limit zu spielen – und das hat viel damit zu tun, wie eng die Spielerinnen miteinander verbunden sind und wie sehr sie es lieben, zusammenzuspielen.
Als ich Herbert nach Sie gefragt habe, schrieb er mir, dass Ihre Teams sehr gut im High-Low operieren. Ist das also etwas, was Herbert von Ihnen kopieren könnte?
(lacht) Ich weiß nicht. Er ist als Trainer so talentiert, er weiß, was er tut, seinen Teams sieht man gerne zu. Ich bin ein großer Fan von Gordie.
Herbert hat auch einmal gesagt, dass es ein Fehler war, zu viel Zeit darauf zu verwenden, das Team auszuwählen statt das Team aufzubauen. Demnach solle man den Kader so schnell wie möglich auf zwölf Spieler reduzieren und daraus ein Team formen. Für Sie ist dies nicht so einfach: Die drei WNBA-Spielerinnen Leonie Fiebich, Satou und Nyara Sabally stehen Ihnen in den ersten Wochen der Olympia-Vorbereitung nicht zur Verfügung, die Entscheidung, dass Svenja Brunckhorst 3×3 spielen wird, fiel erst kurz vor Vorbereitungsstart. Wie herausfordernd ist es für Sie also, ein Team zu formen, und haben Sie einen Zeitplan, wann sie den Kader auf zwölf Spielerinnen reduzieren wollen?
Wie Gordie es gesagt hat: Wir würden unsere Entscheidung auch gerne so schnell wie möglich treffen. Um einen Kaderplatz zu kämpfen, ist eine sehr stressintensive Situation – da verdienen es die Spielerinnen zu wissen, woran sie sind. Im Frauen-Basketball ist das natürlich eine große Herausforderung auf Grund der WNBA-Saison, womit uns diese drei Spielerinnen derzeit fehlen. Wir werden unser Bestes tun, ein Team aus den Spielerinnen zu formen, die aktuell bei uns sind, und die drei zu einem späteren Zeitpunkt integrieren. Die Nationalmannschaftsfenster helfen uns aber, da jene Spielerinnen für uns im vergangenen November und Februar aufgelaufen sind und [beim Olympischen Qualifikationsturnier] gemeinsam diesen tollen Moment erlebt haben. Wann ich das Team auswählen werde? Wir hoffen, dass wir das bereits in dieser Woche tun können.
Können Sie sagen, wann genau die drei WNBA-Spielerinnen zum Team stoßen werden? Das Spiel in Berlin am 19. Juli gegen Nigeria dürfte zu früh kommen.
Sie werden wahrscheinlich in Berlin vor Ort sein, aber höchstwahrscheinlich nicht spielen. Sie werden erst am Tag vor der Partie bzw. am Spieltag selbst ankommen. Wir werden zu diesem Zeitpunkt einen noch größeren Kader haben, aber die Spielerinnen werden wissen, wer zum Zwölfer Kader [für Olympia] gehören wird.
„Leonie Fiebichs Rolle wird immer weiter anwachsen, bei den Liberty lieben sie Leo“
Um bei der WNBA zu bleiben: Leonie Fiebich hat sich nach einer starken Saison in Spanien, in der sie erneut zur MVP gewählt worden ist, direkt in der Rotation der New York Liberty etabliert. Manche sagen, New York sei ein „Superteam“, und sie ist eine der ersten Spielerinnen von der Bank, startete auf Grund von Verletzungen bereits. Wie nehmen Sie ihre Rookie-Saison wahr?
Sie ist eine unglaubliche Spielerin und Persönlichkeit – wir können uns glücklich schätzen, sie im Team zu haben. Ein großer Punkt ist, dass sie in ein neues Umfeld gekommen ist und in der WNBA bei einem Team spielt, das ziemlich etabliert ist. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann sie sich komplett an das neue System gewöhnt hat. Ihre Rolle wird immer weiter anwachsen, ich weiß, dass sie bei den Liberty Leo lieben. Sie ist eine Wettkämpferin, sie wird alles für das Team tun, um zu gewinnen. Die Nationalmannschaft ist für sie sehr wichtig, sie ist sehr stolz darauf, für sie zu spielen. Ich weiß, dass es sie innerlich umbringt, aktuell nicht bei uns sein zu können.
Satou Sabally konnte nach ihrer Schulterverletzung beim Olympischen Qualifikationsturnier in der aktuellen WNBA-Saison bislang noch nicht wieder spielen. Wenn Sie sich mit den Dallas Wings austauschen: Besteht die Möglichkeit, dass Sabally vor den Olympischen Spielen noch für Dallas auflaufen wird?
Das hoffen wir. Ursprünglich hatten wir gehofft, dass sie fit genug ist, ein paar Spiele zu absolvieren, ehe sie zu uns stößt, aber mittlerweile glaube ich nicht, dass das der Fall sein wird. Auch Satou ist eine absolute Kämpferin, die uns geholfen hat, uns für die Olympische Spiele zu qualifizieren – obwohl sie sich an der Schulter verletzt hat. Die psychische und physische Toughness, das tun zu können, war einfach unglaublich. Satou ist eine spezielle Spielerin, wir freuen uns auf sie, egal, in welcher Leistungsfähigkeit sie sich befindet.
„Wir hatten gehofft und darauf gedrängt, dass Svenja Brunckhorst in beiden Wettbewerben spielt“
Die Entscheidung, dass Svenja Brunckhorst bei den Olympischen Spielen 3×3 spielen und somit Ihrem Team fehlen wird, wurde erst kurz vor Vorbereitungsstart bekanntgegeben. Können Sie durch den Prozess gehen, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist? War es auch eine Option, dass sie in beiden Wettbewerben spielt?
Das hatten wir wirklich gehofft und auch darauf gedrängt – weil wir wissen, dass das ein Traum von ihr gewesen ist. Aber letztlich wollte der Verband nichts riskieren, wenn sie in beiden Wettbewerben gespielt hätte. Zumal das 3×3-Team ganz gute Chancen hat. Da sei es besser, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Für unser Team ist das natürlich bedauernswert: Sie ist unsere Kapitänin und hatte großen Anteil an unseren jüngsten Erfolgen. Das ist ein großer Verlust für uns.
Mit Alexis Peterson steht Ihnen aber eine neue Point Guard zur Verfügung. Können Sie erklären, wie es dazu gekommen ist?
Wir haben uns schon lange darum bemüht, wir haben Alexis vor etwa einem Jahr ins Auge gefasst. Sie will wirklich für uns spielen, wir sind begeistert, dass sie nun endlich Teil unseres Teams ist. Wir hatten gehofft, dass es bereits vor einigen Monaten klappt, damit sie mehr Zeit mit uns gehabt hätte, nun haben wir einen Monat Zeit, dass sie sich an neue Mitspielerinnen und an ein neues System gewöhnt. Aber sie ist eine Qualitätsspielerin, sie hat auf dem höchsten Niveau wie der EuroLeague gespielt.
Sie haben erwähnt, dass Sie erst noch einen erweiterten Kader führen werden. Besteht die Möglichkeit, dieses sogar noch weiter zu erweitern – wie mit Frieda Bühner, sobald sie die U20-EM beendet hat?
Ja, absolut. Sie soll der U20-Auswahl helfen, in der A-Division bleiben, danach wird sie zu uns stoßen.
Die Olympischen Spiele sind ein Highlight, mit einer EM-Vorrunde im kommenden Jahr und der WM im Jahr 2026 folgen direkt weitere. Was sagt das über den Frauen-Basketball in Deutschland aus?
Es ist eine wirkliche aufregende Zeit, Teil der Frauen-Nationalmannschaft zu sein und diese Events vor sich haben, um sich im eigenen Land präsentieren zu können. Wir hoffen einfach, mehr Spielerinnen und junge Mädchen zu inspirieren, auch mit dem Basketball anzufangen und vielleicht danach zu streben, selbst einmal für die Nationalmannschaft zu spielen. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, die sich uns gerade bietet. Und das ist erst der Startpunkt, ein Sprungbrett.
Herbert mag ja Drei-Jahres-Pläne – das könnte auch ein guter Drei-Jahres-Plan für Sie und die Frauen-Nationalmannschaft sein, darauf aufzubauen.
Ja, natürlich. Wir versuchen immer, uns weiterzuentwickeln. Vor einem Jahr waren wir in der Weltrangliste auf dem 36. Platz, jetzt sind wir 19. Ich weiß nicht, ob eine andere Mannschaft innerhalb so kurzer Zeit so hoch geklettert ist. Unser Ziel ist es, zu den zehn besten Teams der Welt zu gehören – wir hoffen, das in den nächsten zwei Jahren zu erreichen.