„In der Pause haben wir uns gesagt: Wir lassen uns nicht verprügeln“
Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt auch ihres zweites Spiel bei der EM. Wie gegen Frankreich holt sich die DBB-Auswahl mit einem Lauf das Momentum. Und erneut überzeugt die Bank.
Nur 1:28 Minuten lang stand Jonas Wohlfarth-Bottermann im EM-Auftaktspiel gegen Frankreich auf dem Parkett – und das als Starter. Gut, mögen manche einwenden, er sollte eigentlich gar nicht bei dieser EM im Kader stehen. Doch der Center zeigte gegen Bosnien und Herzegowina, obwohl er die Starterrolle an Daniel Theis übergeben musste, welche Impulse er dem Team in „nur“ 10:28 Minuten geben kann: wie mit insgesamt drei Blocks, einem wichtigen Tip-In kurz vor der Pause als Endpunkt eines 6:0-Laufs und einem Kickout-Pass für Johannes Thiemanns Dreier Ende des dritten Viertels.
„Für WoBo hat es mich gefreut. Er kam mit großartiger Energie herein und hat an beiden Enden des Feldes starken Aktionen gemacht“, lobte Bundestrainer Gordon Herbert seinen Center. Überhaupt tat das die gesamte Bankformation: In den ersten viereinhalb Minuten des vierten Viertels standen mit Maodo Lo, Andreas Obst, Niels Giffey, Johannes Thiemann und eben WoBo nur Bankspieler auf dem Feld. Eine Zwölf-Punkte-Führung baute das Quintett sogar leicht aus.
„Jeder von uns kann zum X-Faktor werden“
Am Ende kam die Bank auf 42 Punkte – nur elf Zähler waren es bei Bosnien. „Gegen Frankreich hatte unsere Bank auch schon 48 Zähler. Gerade für ein solches Turnier ist das super, das wird uns noch sehr helfen“, fühlte sich Johannes Voigtmann von den Reservisten unterstützt. „Es ist ein langes Turnier, wir sind ein gutes aufgestelltes Team. Jeder von uns kann zum X-Faktor werden“, ist sich WoBo sicher.
Das war unter anderem auch Andi Obst. Gegen die französische Defense sah der Guard kein Land und wurde am Flügel zugemacht, null Punkte und null von drei aus dem Feld in nur sechs Minuten waren das Resultat. Doch nun fand wie WoBo auch Obst ins Turnier. Inmitten der besagten Bankformation Anfang des Schlussabschnitts ragte der Distanzspezialist mit zwei Dreiern heraus, am Ende hatte Obst drei seiner vier Dreier getroffen und 13 Punkte markiert.
Sein eigentliches Leistungsniveau hatte gegen Frankreich auch Franz Wagner nicht erreicht. Gegen Bosnien avancierte der Flügelspieler mit 18 Zählern zusammen mit Dennis Schröder zum Topscorer – der in der Crunchtime auch Big-Plays machte: 37 Sekunden vor Schluss traf Wagner den Dagger-Dreier zum 90:80, rund zwei Minuten zuvor sorgte er als Help-Verteidiger gegen Jusuf Nurkic für einen Statement-Block. „Nice“, fand Maodo Lo. „Auch der eine von WoBo. Franz und WoBo: nice. Es macht einfach Spaß. Jeder hat seinen Moment, das ist eine gute Truppe. Hoffentlich wird das von außen wahrgenommen.“
„Dennis Schröder und Maodo Lo teilen die Verantwortung“
Schröder sucht zwar weiterhin seinen Jumper, er kam aber immer wieder nach Drives zum Abschluss. Mit neun Assists bei nur einem Ballverlust spielte der DBB-Anführer auch viel kontrollierter als noch gegen Frankreich. Dort stand Schröder mit Maodo Lo häufig zusammen auf dem Parkett. Solche Lineups standen bei hervorragenden +16 in 14:44 Minuten, gegen Bosnien waren es genau so gute +10 in 9:58 Minuten.
„Wir hatten einfach das Gefühl, dass wir häufiger zwei Ballhandler auf dem FEld benötigten“, erklärte Herbert die Umstellung gegenüber den letzten beiden WM-Quali-Spielen, als Schröder und Lo in zwei Partien zusammen nur vier Minuten zusammenspielten. „Damit Dennis nicht jedes Mal den Ball nach vorne bringen und die Offensive initiieren muss. Beide können so die Verantwortung teilen.“
Zurück zu Wagners Statement: Nurkic biss sich in der zweiten Hälfte überhaupt gegen Deutschlands Verteidigung die Zähne aus. Nach 17 Punkten zur Halbzeit konnte der NBA-Center nur vier Zähler nachlegen. Dzanan Musa explodierte zwar zu 30 Punkten, dennoch machte das deutsche Team defensiv im Pick-and-Roll zwischen den beiden einen besseren Job.
„Wir sind mehr von der Helpside gekommen und haben auch versucht, sie zu trappen“, erklärte WoBo die Umstellung. „Gerade von den Non-Shootern“, fügte Voigtmann an. „Nurkic alleine zu stoppen, ist einfach schwierig. Aber wenn nur Musa und Nurkic das Problem sind, bekommst du das irgendwie gecovert.“ Wie sich vor allem im dritten Viertel zeigte: Dort verfehlte Bosnien jeden seiner neun Dreier …
„Wenn wir gut verteidigen, haben wir einfache Sachen im Angriff – dann kommen solche Läufe zustande“
Mit einem 12:0-Lauf eröffnete das deutsche Team jenen Abschnitt und hatte sich das Momentum komplett geholt. Bereits gegen Frankreich hatte Deutschland mit einem 14:3-Lauf in den letzten drei Minuten des dritten Abschnitts die Partie gedreht. „Wir sind ein Team, wenn es gut läuft, verteidigen wir gut. Wenn wir gut verteidigen, haben wir einfache Sachen im Angriff – dann kommen solche Läufe zustande“, erklärte Voigtmann. „Das hat uns schon Ende der Vorbereitung gezeichnet – und das zeigen wir auch jetzt.“
Und das deutsche Team zeigte auch, wie es einen erneut etwas stotternden Start (in der Offensive) wegzustecken weiß und im Lauf der Partie die richtige Adjustments treffen kann. „Bosnien hat sehr physisch gespielt, das hat uns in der ersten Hälfte etwas überrascht“, gab WoBo zu. „In der Pause haben wir uns aber gesagt: Wir lassen uns nicht verprügeln.“ Mehr noch: Mit diesen Drangphasen in kurzen Momenten hat die deutsche Mannschaft ihrerseits das Potential, mit Gegnern bei dieser EM kurzen Prozess zu machen.