NBA Preview #5 – Chicago Bulls – Vielen Dank Jerry Krause!
Wie wichtig ein guter General Manager ist, der auch mal einem Owner Paroli bieten kann, sieht man an der Vergangenheit der Chicago Bulls vor allem während und auch nach der Michael Jordan Ära.
Bis heute ist eine der, durch die Jordan Jahre bis heute, wertvollsten Franchises der NBA in einem permanenten Struggle mit sich selbst und von einer Menge Pech verfolgt.
Gibt es einen (Point Guard) Fluch?
NBA Preview Nr.5 zu den Chicago Bulls
Parental Advisory. Explicit Content (could happen).
Der Autor dieser Zeilen möchte der Transparenz halber (samt kleinem Augenzwinkern) vorab anmerken, dass er privat seit Anfang der 1990er glühender Verehrer der Bulls ist. Etwaige Rants und / oder mittelschwere Verwünschungen bestimmter Akteure, sowie eventuell fehlende Distanz zum Thema wird wirklich (!) versucht zu vermeiden. Versprochen.
Ein schweres Erbe
Ein schweres Erbe trifft es wohl am besten. Seit der Jordan Ära kommen die Bullen einfach nicht heraus aus ihrem Tief. Selbst das zwischenzeitliche Hoch der Derrick Rose Jahre endete rückblickend und final recht tragisch durch seine Verletzungen.
In der jüngeren Vergangenheit wurde kurzzeitig eine gewisse Euphorie entfacht rund um das Lonzo Ball, LaVine, Caruso, Derozan, Vucevic Team. Jene ist längst verflogen, auch wenn die ersten Spiele dieser Version der Bulls recht interessant wirkten.
Ein Bulls Fan könnte jedoch speziell beim Gedanken an Vucevic nachts in Angstschweiß gebadet aufwachen, wenn er an Franz Wagner denkt, der für den Pick im Vucevic Deal von Orlando anstelle der Bulls gedraftet wurde. Das. Tut. Richtig. Weh. Jedes. Jahr. Mehr.
Apropos Dinge die weh tun. Lonzo Ball und die ständigen Verletzungen (der Bulls).
Die Bulls und ständiges Verletzungspech. Ein endloses Thema auf der 1.
Derrick Rose. Jay Williams. Lonzo Ball.
3 überaus talentierte Point Guards. Einer davon in seinen jungen Jahren sogar ein historisch gutes Talent. Und bei allen ist es zumindest auf sportlicher Ebene gradezu tragisch ausgegangen.
Allen drei kann man mindestens unterstellen, dass sie allesamt bei halbwegs erhaltener Gesundheit eine lange und vermutlich gute Phase hätten mit prägen können.
Im Fall von Lonzo hat man sogar darauf geachtet, nicht ein hyperathletischen Guard zu suchen, sondern einen der mehr über die Skills und den Oncourt-IQ kommt als über die schiere Physis. Smarter Move.
Leider haben sie aber übersehen, welche massiven Fehler in jungen Jahren durch zweifelhafte Trainingsmethoden, zweifelhafte Schuhwahl und getrieben von Lavar Balls Einfluß, begangen wurden.
Lonzo Ball hat ein sehr gutes Gespür für den Sport. Sehr gute Court Control. Sehr gute Defense. Ist für NBA Verhältnisse und im Gegensatz zum recht flashy wirkenden Glamour Bruder Lamelo, ein wirklich bodenständiger Typ geblieben.
…mit einem sehr schlechten Gespür von wem er sich beraten lässt.
Zumindest in den Anfangsjahren schient es niemanden gegeben zu haben, der ihn als Korrektiv hätte schützen können vor seinem Vater. Wenn er es denn schon nicht selber geschafft hat dagegen anzukommen.
Lonzos Arbeitsethos ist bis auf diesen Umstand wenig vorzuwerfen und man kann diesem jungen Menschen einfach nur noch wünschen, das er nicht „nur“ dafür verletzungsfrei wird, um auf einem Court stehen zu können. Sondern überhaupt soweit gesund wird, dass er ein normales Leben führen kann. „Zur Not“ ohne Basketball.
Denn das ist etwas, was vielen (toxischen?) Fans der Bulls abgeht. Sportlicher Erfolg ist nicht alles im Leben.
Jordan hat ein Monster erschaffen.
Ja jetzt kommt die Stelle, wo es in einen Rant abgleiten könnte. Sorry.
Januar 2024. Die Chicago Bulls Ring of Honor (welch traurige Ironie bei der Bezeichnung) Zeremonie.
Szenerie:
Im Chicago United Center, der Heimat der Bulls, soll eigentlich ein fröhliches Event stattfinden. Ehrungen der alten Heroen aus einer Zeit in der man immer noch verhaftet ist. Kann man mögen oder auch nicht diesen verklärten Blick in die Vergangenheit. Eigentlich eine harmlose Sache.
Aber was nun kam ist gradezu bezeichnend was seit, nach und vielleicht auch durch(?) Jordan alles falsch läuft in Chicago…
Wir sehen die 80 Jahre alte Witwe von Jerry Krause, die stellvertretend seine Ehrung entgegennehmen soll. Was nun folgt ist eine der widerlichsten, verabscheuungswürdigsten und unwürdigsten Momente der jüngeren Sportgeschichte.
Eine Arena voller Fans, die eine alte Dame ausbuhen. Vielleicht nicht alle Fans. Aber recht viele. Und mit Vehemenz. Ohne Gnade zu zeigen und bis diese alte Lady in Tränen ausbricht. Ein Moment der Schande. Und etwas wofür man sich nur schämen kann.
Die ständige Mär vom sich selbst überschätzenden GM, der sich angeblich zu viele Meriten der Jordan Ära „selbst“ verliehen habe. Sie wird selbst nach 26 Jahren immer noch geglaubt. Jordan hat ja an diversen Momenten und Stellen auch dafür gesorgt, dass diese Plattitüde weiterhin nachgeplappert wird.
Nachwehen einer bewegten Vergangenheit
Abgesehen..
– ..davon, dass man selbst wenn das gestimmt hätte, deswegen natürlich NICHT das Recht hat, eine alte Dame so zu beschämen.
– ..davon, dass ein GM nie allein agieren kann sondern (fast) nur in dem Rahmen den ein Owner vorgibt. Und Chicago hat einen der menschlich wohl verwerflichsten Charaktere als Owner.
– ..davon, dass man auch durchaus Krause kritisch sehen kann. Aber nicht in dieser Vehemenz, wie es Jordan macht. Bis heute eigentlich. Und ohne deutlicher Korrektur.
Abgesehen von all diesen Dingen.
Auch von der Tatsache, dass Krause wohl einer der visionärsten Manager seiner Zeit war. Dem wie Reinsdorf, einerseits der Glücksfall namens Michael Jordan in den Schoß fiel.
Sie aber auch beide dann für ihre Zeit mit der richtigen Entschlossenheit, modernen Marketingmethoden und sehr viel sportlichen Sachverstand das absolute Maximum herausholten aus dieser Ära.
Reindorf war es, der Krause zum Schluß der Jordan Ära die finanziellen Daumenschrauben anlegte, aus derer dann die Entscheidung hervorging Coach Jackson nicht zu verlängern, damit jenes zweite Bulls Threepeat Team zu sprengen und Jordan zum zweiten Rücktritt zu bewegen.
Krause bot auch in diversen Personalfragen seinem Owner Paroli, als er begriffen hat, was er für ein einzigartiges Team bauen kann rund um Jordan, Pippen, Jackson. Es ging AUCH aber eben an den entscheiden Stellen nicht NUR darum die finanziell besten Entscheidungen zu treffen.
Das man in der harten Business Welt (ja .. auch und grade der Sport gehört dazu) mal die Samthandschuhe ausziehen und Kritik üben darf. Druck ausüben. Das versteht sich von selbst und ist schlicht nicht zu verhindern. Read the room und der ist da fast immer voll gestopft mit Alphatieren.
Michael Jordan war es aber, der diese Mär, über Krause als einzigen Villain dieser Ära, in die Welt getragen hat. Kombinierte dieses mit seinem unerbittlichen Killerinstinkt immer gewinnen zu wollen. Eben auch die PR Schlacht gegen Krause.
Dies als Kernmessage seinen Fans zu vermitteln. Von denen das einige offensichtlich völlig falsch interpretieren mittlerweile. Damit hat Jordan ein Monster mindestens MIT erschaffen.
Von all diesen Kontexten abgesehen.
Saß da eine alte Dame die niemandem etwas getan hat. Die ihrem Mann über Jahrzehnte hinweg sehr, vermutlich, aufopferungsvoll den Rücken freigehalten und damit sogar indirekt ihren Anteil an diesen Erfolgen hatte. Diesem Menschen der niemandem etwas getan hat sowas anzutun.
Das ist gradezu barbarisch. Punkt!
Es ist ein weiteres Kapitel der Wahrheit über Jordan, das hier keine wirkliche, gar deutliche Positionierung von ihm zu vernehmen war. Er eindeutig das Kriegsbeil posthum begräbt. Den sogenannten Fans auch mal den Kopf wäscht. Dinge zurechtrückt. Nichts.
Und sei es „nur“ um dieser alten Dame Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Traurig. Einfach traurig und unwürdig.
Für Erfolg muss man entschloßen sein. Nicht verbissen.
Zurück zum sportlichen:
Diese mindestens unschöne Situation ist aber gradezu symptomatisch für die Bulls.
Der eigene Anspruch und die Erfolgssehnsucht (oder Sehnsucht nach früher) überschattet vieles. Gepaart mit einem mehr als konservativen Owner und eben KEINEM Jerry Krause im Front Office der Chancen wittert und auch mal Paroli bietet.
Und dann kommen noch Fans hinzu, die diplomatisch ausgedrückt ungeduldig sind. Undiplomatisch ausgedrückt gradezu toxisch. Exemplarisch an der Ring of Honor Zeremonie abzulesen.
Genau daran krankt diese Franchise. Da können keine schlauen Entscheidungen getroffen werden. Der LaVine Vertrag kann nur noch durch die prozentuale Erhöhung des Capspace über die Jahre halbwegs verdaulich werden für einen Tradepartner. Einer der schlechtesten Verträge der Liga momentan.
Die angekündigte und in Anbetracht der experimentellen Behandlungsmethodik, sowie der Schwere des Krankheitsbildes maximal infrage zu stellende Gesundung von Lonzo Ball erinnert frappierend an einen anderen Fall von damaliger „neuer“ Reha Methodik.
Brandon Roy. Ausgang bekannt.
Man hat sicherlich einige Optionen für die Zukunft. Coby Whites Entwicklung der letzten Saison war ein kleiner Lichtblick. DeRozans Vertrag ist endlich weg. Vucevics wird langsam tradeable. Spätestens nächstes Jahr.
Bei Ball wird dieses Jahr, so oder so eine Klarheit für die Zukunft eintreten. Zum Glück mit einem parallel auslaufenden Vertrag.
Gleichzeitig wurde aber auch direkt mit dem Patrick Williams Vertrag, dem Draftpick für Matas Buzelis und dem Trade für Josh Giddey potentiell neue Fässer aufgemacht. Obgleich auch bei allen 3 eine durchaus positive Entwicklung vorstellbar ist.
Das mehr als moderat ausgefallene Signing von Jalen Smith ist wirklich sauber eruiert und umgesetzt worden. Ein guter Schritt.
Jerry Krause. Danke.
Jerry Krause dieses Signing hätte von dir sein können.
Jerry Krause genau dein Konterpart fehlt zu Reinsdorf.
Thelma Krause. Es sind nicht alle Bullen so!
Prognose
Good End:
Man löst sich vom Bestreben knapp die Playoffs erreichen zu wollen. Realisiert, dass man maximal ein Second Round Exit Team ist. Grade ohne Caruso jetzt. Und richtet sich seriös und mit Bedacht neu aus. Sukzessive. Über Trades, auslaufende Verträge und Drafts. Nimmt sich die Zeit für einen Rebuild. Bleibt verletzungsfrei(er).
LaVine versucht sein Ruf zu reparieren und zeigt wieder eine andere sportliche Seite die sein Contract halbwegs plausibel macht für Tradepartner. Zumindest ab der kommenden Saison.
Dosunmo, White, Williams, Smith, Giddey entwickeln sich gut. Ball hat ein Happy End. Egal ob als NBA Spieler oder „nur“ als junger Mann ohne NBA. Man schließt entweder smarte Verträge ab oder tradet sich überschätzende Spieler früh genug.
Egal ob man in die Play-Ins kommt oder gar Playoffs. Dieses Mindset eines Neuanfangs muss dominieren. Egal was Fans fordern. Oder der Owner.
… Reinsdorf verkauft die Franchise…
Bad End:
Extension für Vucevic. Ball wird endgültig zum Sportinvaliden. LaVine hält sich (wieder, weiter) für eine Option 1 eines Contenders und verbreitet Unruhe in der Kabine.
Dosunmo, White, Williams, Smith, Giddey entwickeln sich schlecht oder stagnieren. Grade Giddeys Entwicklung ist wichtig, damit er ein zukünftiges Trade Asset wird / bleibt.
… Reinsdorf bleibt Owner…