Vince Carter: „Jetzt weiß ich, dass ich zu den Alten gehöre“
basketball.de: Vince, in jeder Arena wirst du momentan gefeiert. Selbst die gegnerischen Anhänger wollen dich unbedingt noch einmal spielen sehen und skandieren „We want Vince“, wenn du gerade auf der Bank sitzt. Ist das Gänsehaut-Feeling pur?
Vince Carter: Das ist ziemlich cool zu sehen, dass ein alter Mann wie ich immer noch ein paar Fans hat. Wobei wir ab und zu sogar ein paar Witze im Team machen, wenn diese „We want Vince“-Rufe erklingen.
Witze? Warum das?
Einer unserer Security-Mitarbeiter, der bei vielen unserer Spiele dabei ist und nahe an unserer Bank steht, heißt ebenfalls Vince. Ich habe ihn bereits gefragt, ob er anstelle von mir mal aufs Parkett will. (lacht) Aber es ist einfach schön, dass ich den Zuschauern auch jetzt noch Freude bereiten kann.
Am 26. Januar bist zu 42 geworden. Wie schaffst du es, in diesem Alter noch so fit zu sein, um in der NBA mithalten zu können?
Du musst ganz genau auf deinen Körper achten, um die nötige Fitness zu behalten. Dafür stelle ich regelmäßig eine To-do-Liste zusammen.
Was steht auf dieser Liste?
Dinge, die für meinen Körper wichtig sind: genügend Erholung oder Stretching. Entscheidend ist der pure Wille, um diese Dinge abzuhaken und zu erledigen. Denn nur dadurch kann mein Körper im Wettkampfmodus bleiben.
„Inzwischen kann ich die Dinge mehr wertschätzen“
Als du 1998 in die Liga kamst, wurden deine Mitspieler Trae Young und Kevin Huerter gerade geboren …
… das ist schon ziemlich verrückt! Aber ich habe mich daran gewöhnt, dass ich „der Alte“ bin. Vor ein paar Jahren hatte mir das mehr zu schaffen gemacht, als ich von der jungen in die ältere Generation aufgerückt bin. Das war eine Umstellung. Denn bis dahin war ich es, der über ältere Mitspieler ein paar Witze gemacht habe. (schmunzelt) Aber inzwischen finde ich es sehr schön, wie es jetzt ist.
Was ist anders als 1998?
Als junger Spieler bist du extrem aufgeregt und willst, dass es ständig vorangeht. „What is next? What is next?“, habe ich immer gefragt. Inzwischen kann ich die Dinge etwas gelassener angehen und mehr wertschätzen, was ich als Profi-Basketballer erleben darf.
Wie kannst du deine Teamkollegen unterstützen?
Als ich im vergangenen Sommer die Vertragsgespräche mit den Hawks geführt habe, war uns allen klar, dass ich nicht die erste Wurfoption mit der meisten Spielzeit sein werde. Stattdessen möchte ich mein Wissen teilen und meine Mitspieler besser machen. Sie können mich über alles und jederzeit löchern. Solange die Jungs bereit sind, meine Ratschläge anzunehmen, bin ich happy. (grinst)
Welche Ratschläge zum Beispiel?
Man muss sehen, dass wir keine allzu erfolgreiche Saison spielen. Daher passiert es fast automatisch, dass es negative Nachrichten oder Tweets gibt. Ich sage den Jungs dann, dass sie ihr Smartphone einfach mal ausschalten sollen, um sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Dirk und ich haben inzwischen die gleichen Wehwehchen“
Von 2011 bis 2014 hast du an der Seite von Dirk Nowitzki in Dallas gespielt. Wie ist dein Draht zu ihm?
Dirk ist ein großartiger Typ, mit dem ich damals eine super Zeit zusammen hatte. Inzwischen haben wir die gleichen Wehwehchen, so dass wir mit dem anderen gut mitfühlen können. (schmunzelt)
An der University of North Carolina stand ein anderer Deutscher neben dir auf dem Parkett: Ademola Okulaja. Hast du mit ihm noch Kontakt?
Oh ja – regelmäßig sogar. Nach seiner Spielerkarriere ist er ja weiterhin im Business aktiv und macht einen super Job als Berater. Nicht nur mit ihm, sondern mit all den Jungs, mit denen ich damals am College gespielt habe, bin ich noch in engem Austausch. Wir sind zweimal in Folge ins NCAA Final Four eingezogen, was enorm zusammengeschweißt hat.
1995 hatte deine College-Karriere begonnen, 1998 wurdest du NBA-Profi – und in wenigen Wochen bist du tatsächlich Basketball-Rentner?
Das steht noch nicht fest. Die Entscheidung, ob das meine letzte Saison ist, habe ich noch nicht getroffen.
Also „We want Vince“-Rufe auch 2019/20?
Ich will es zumindest nicht ausschließen.