Ehrenmänner, gleichzeitig Lückenfüller

Die deutsche Nationalmannschaft liefert die schlechteste Quali-Runde seit 1989 ab. Als Gastgeber ist das DBB-Team für die EM 2022 aber qualifiziert. Was erneut verdeutlicht, wie kaputt das System ist. Ein Kommentar.

Mehr als 230.000 Zuschauer sahen am Wochenende zu, wie Niels Giffey, Maodo Lo, Johannes Thiemann und Paul Zipser für Highlights auf dem Parkett sorgten. Jenes Quartett trug dabei aber nicht das DBB-Trikot – sondern war mit seinen NBA 2K-Avataren beim digitalen All-Star Day der BBL „aktiv“.

Währenddessen beendeten deren reale Nationalmannschaftskollegen im montenegrinischen Podgorica die EM-Qualifikation. Was man von den letzten beiden Spielen der deutschen Nationalmannschaft mitnehmen konnte? Mit einem Sieg und fünf Niederlagen die schlechte Quali-Bilanz seit 1989. Und die Verletzungen von Andi Obst und Lukas Meisner. Der Braunschweiger Big Man muss sogar seine Saison beenden.

Als einer von vier Gastgebern der Europameisterschaft 2022 hatte das deutsche Team die EM-Quali bestritten. Sportlicher Wert? Wenig. Wettbewerbsverzerrung hinsichtlich dieses Systems? Absolut.

Lettland – immerhin Fünfter bei der EM 2017 – scheiterte an der EM-Quali. Litauen wäre um ein Haar an Dänemark gestolpert. Und auch Deutschland könnte die Auswirkungen des Basketball-Kalenders zu spüren bekommen: wenn Ende Juni das vorolympische Qualifikationsturnier ansteht, und ein Dennis Schröder bei einer normal verlaufenden Saison der Los Angeles Lakers fehlen wird.

Eine Sache hierzu: Vielleicht hätte man besser alle vier EM-Gastgeber – neben Deutschland zudem Georgien, Italien und die Tschechische Republik – in eine Quali-Gruppe gepackt. Und jene vier Nationen hätten selbst entscheiden dürfen, ob und wann sie ihre Quali-, pardon Testspiele absolvieren wollen.

Selbstverständlich: Eine Sichtbarkeit der Nationalmannschaft über das ganze Jahr – mit Länderspielen im Frühjahr, Sommer und Herbst – ist eigentlich etwas Gutes. Für die (mediale) Aufmerksamkeit, für das Zusammenspiel, für die Teamchemie.

Doch inwieweit kann die FIBA ihr bestes Produkt – eine Nationalmannschaft – bewerben, wenn dort nur eine B- oder C-Mannschaft aufläuft? Und inwieweit macht es Sinn, wenn sich Spieler aneinander gewöhnen, die im nächsten Fenster eh nicht zusammen auf dem Parkett stehen – weil sie dann den besseren, in der EuroLeague und NBA aktiven Spielern Platz machen müssen?

„Der Status Quo ist ein Witz, die Spiele haben null Relevanz und interessieren mich überhaupt nicht.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern mit Jan Jagla ein ehemaliger Nationalspieler, der 141 Mal das DBB-Trikot getragen hat.

Selbstverständlich wird jeder Spieler sagen, dass „es eine Ehre ist, den Adler auf der Brust zu tragen.“ Doch welche Ehre ist das mit Blick auf ein Pflichtspiel ohne Aussagekraft, inmitten einer Qualifikationsrunde voller Wettbewerbsverzerrung?

Natürlich ging es für das deutsche Team sportlich um nichts mehr, war das DBB-Team als Gastgeber doch für die EM 2022 qualifiziert. Doch wirklich nicht? Nach der enttäuschenden WM 2019? So sagte Ismet Akpinar im basketball.de-Interview vor genau einem Jahr: „Nach dem verkorksten Sommer, den wir hatten, müssen wir jetzt beweisen, dass wir eine gute Mannschaft sind.“

Haben sie das? Na gut, „18. bei der Weltmeisterschaft, das ist für uns ein Erfolg“, könnte man nun anfügen.

Wenn in diesem Kommentar, in diesen Zeilen Sarkasmus durchschimmert, dann soll dies auf keinen Fall die aktuell aktiven Nationalspieler treffen. Sie müssen ihren Körper hinhalten, inmitten einer Pandemie Risiken eingehen – und dürften bei großen Turnieren aber zu großen Teilen nur zuschauen. Ehrenmänner, aber gleichzeitig Lückenfüller. Der Sarkasmus zielt auf ein System des Weltbasketballs, das ziemlich kaputt ist.

Und wenn die Länderspielfenster in dieser Form unter der Club-Saison noch weiterlaufen, dann schenken wir den digitalen Avataren die größere Beachtung.