Deutschlands echte Turniermannschaft

What a time to be alive!

Deutschland ist amtierender Basketball-Welt- und – seit letztem Sonntagabend – auch Europameister.

Dieses bedeutende Resümee konnten bisher nur die (ehemaligen) Basketball-Supermächte Jugoslawien, Sowjetunion und Spanien erreichen.

Das DBB-Team ist momentan Deutschlands echte Turniermannschaft.


In Reminiszenz an einen alten Kalauer-Song aus Cool Runnings: „Das geht über eure Vorstellungskraft, Deutschland hat wieder eine Turniermannschaft.“

Ja, auch wenn dieses Label mal von anderen deutschen Nationalmannschaften „erfunden“ wurde – aktuell erfüllt diese leicht klischeehafte Überhöhung vor allem das Basketball-Nationalteam.

Sie geben sich nicht selbst dieses Prädikat oder wollen es heraufbeschwören. Sie füllen es einfach mit Leben und Inhalten – ohne wirklich darüber nachzudenken. Zumindest wirkt es so. Sie sind es einfach.

Vor allem im knallharten Finale gegen die Türkei konnte man – nach dem Resilienztest gegen Slowenien – auch den finalen Stresstest bestehen.

Mit vergoldetem Ausgang.

Ein Recap der Gründe – und warum gutes Coaching ohne einen guten Kader wenig wert ist. Aber eben auch andersherum: Ein guter Kader braucht exzellentes Coaching.


Sie haben es schon wieder getan


Wieder einmal hat das DBB-Team ein sagenhaft begeisterndes Turnier gespielt. Wieder angeführt von einem inspirierenden Coach – derer gleich zwei sogar. Und auch hier wurde im Teamverbund auf die kurzfristigen Herausforderungen, bedingt durch Mumbrus gesundheitliche Situation, reagiert.

Wieder in einem Stil, der völlig zu Recht das Label „Mad Sexy“ verdient hat: attraktive Offense, bissige Defense – und das alles sowohl in ästhetischer Art, als auch in intelligenter Weise.

Schon wieder hatte der Erfolg nichts mit Zufall oder „geschenkten“ Glücksumständen zu tun. Nicht bei diesem starken Finalgegner aus der Türkei, die sich mehr als teuer verkaufen konnten.

Sondern mit ganz viel harter, seriöser Arbeit und einer ordentlichen Portion Swagger auf dem Platz. Inklusive eines Off-the-Back-Inbound-Trick-Plays samt daraus resultierendem Score – in einem Europameisterschaftsfinale! Kann man sich nicht ausdenken.


Wobei es streng genommen kein Off-the-BACK-Inbound-Trick-Play war, sondern ein Off-the-A.. naja lassen wir das an der Stelle mal mit der Wortklauberei.


Wieder mal Momente für die Ewigkeit

Wieder gab es ein Knockout-Spiel, das sich in die Geschichtsbücher dieses Sports – und vor allem in den Erinnerungen der Fans – eingebrannt haben dürfte. Sogar eingebrannt haben muss, wenn man an die letzten fünf Minuten des vierten Viertels denkt.

Wieder einmal hat man dank einer geschlossenen Teamleistung diverse Herausforderungen des Turnierverlaufs gemeistert.

Und wieder mal beinhaltet das Erfolgsrezept in erster Linie natürlich die Spieler des DBB, die eine Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen hatten, aber auch sämtliche anderen Teile des Teams, wie Coaching-Staff und Funktionsteam.

Gerade das Coaching und die Personalien Alex Mumbru und Alan Ibrahimagic sind maßgeblich zu nennen.

Ihre Aufgaben waren nicht trivial zu lösen und erforderten den vollen Fokus beider. Uneitel und entgegen aller Vernunft, wenn man bedenkt, wie angeschlagen Mumbru dennoch seinen wertvollen Input weiterhin gegeben hat. Der dann aber auch erstmal sinnvoll in der Hitze des Momentes implementiert werden musste – von Ibrahimagic.


Hartes Finale voller Prüfungen

Das Turnier verlief für die DBB-Truppe relativ glatt. Die richtigen Schlüsse wurden sowohl in der Kaderkonstruktion, der Vorbereitung als auch vor allem in der Feedbackschleife nach der Vorbereitung gezogen.

Der erste echte Resilienztest gegen Slowenien wurde in einem von Physis und Kampf geprägten Viertelfinalspiel knapp überstanden – und die Erkenntnisse daraus dann im Halbfinale gegen Finnland wiederum gut und prompt implementiert.

Eine rund laufende Offense nicht zu sehr durch physische Verteidigung ins Stocken geraten zu lassen. Wagners Vorteile in Transition nutzen. Wurfauswahl und Rebounding-Lösungen im Team-Effort. Die richtige Balance zwischen Transition, Motion und Half-Court-Setplays finden. Variable Blending Offense.

Gleichzeitig die relative Schwäche in puncto Länge und schierer Physis durch smarte und vor allem auch Hustle-Plays in der eigenen Defense kontern. Etwas, das nur durch die hohe Spielintelligenz und die individuellen Qualitäten von Theis, Bonga und Thiemann möglich war.

Man hatte gegen Finnland recht gut sehen können, dass sich die DBB-Mannschaft ihrer Vorteile in puncto Athletik, Spannweiten, Grundschnelligkeit – ob nun physischer oder mentaler Natur –, Wurfqualität in Durchführung und vor allem Ausführung der Wurfauswahl sehr wohl bewusst gewesen ist.

Dennoch gab es mehr als nur einige wenige, sehr triftige Gründe, die Türkei äußerst ernst nehmen zu müssen. Vor allem das Rebounding generell, als auch das Offense-Rebounding von Şengün, waren Themen gewesen. Ebenso die Frage, wie man auf die zu erwartende sehr physische Defense der türkischen Mannschaft reagieren könnte.

Larkins noch vorhandener Speed – obgleich nicht mehr ganz so schnell wie früher – und das variable Spiel der Wings rund um Osman, Osmani und Korkmaz, die sich sowohl in Defense sehr physisch als auch in Offense grundsolide präsentierten. Bonas Athletik und generell die vielen Hustle-Plays der Türkei sind ebenso zu nennen.

Die Aufgaben waren also eigentlich sehr klar – und es war auch zu erkennen, dass man durch Voigtmanns Verletzung auf eine Komponente im Spiel verzichten musste und dies nun aufzulösen war, um im Finale als Sieger vom Parkett zu gehen.

Fehlstart im ersten Viertel

Auch wenn die Kernaufgaben für das Finale klar waren, so muss man sie auch erst einmal aufs Parkett bringen. In den ersten vier Minuten des Finales waren zwei Turnover beim deutschen Team zu verzeichnen. Das türkische Team kam ihrerseits sehr gut in die Defense und konnte in der Offense frühe, gute und klare Ballbesitze zu Ende spielen.

Drei erfolgreiche Dreier von Osman, Larkin und ein 13:2-Run später, musste das DBB-Team nach vier Minuten erstmal wieder zurück ins Spiel finden. Theis mit sehr frühen zwei Fouls, was die Problematik unter dem Korb potenziell zu verschärfen drohte.

Die Wurfauswahl der Türkei nach dieser Phase war nicht sonderlich gut, vor allem in der Ausführung etwas nachlässig wirkend. Nach einem kleinen 7:0-Run des DBB-Teams konnte man so den Schock der ersten Minuten gegen Mitte des ersten Viertels überwinden.

Turnover und Foulproblematik des DBB-Teams waren zwar konstant, aber zum Glück nicht zu ausufernde Parameter im weiteren Spielverlauf. Man konnte noch das richtige Maß und vor allem die nötige Ballsicherheit wiederfinden im späteren Teil des Spiels.

Vor allem Wagner, Bonga und Da Silva präsentierten sich sehr fokussiert und konnten durch sehr gutes Shot-Making das erste Viertel zum Schluss sogar in eine Zwei-Punkte-Führung umdrehen.

Man kann rückblickend diese Phase als den ersten kleinen Kipppunkt bezeichnen, weil eine größere Führung der Türkei durchaus möglich war. Wäre man dann mit 15 bis 20 Punkten Abstand ins zweite Viertel gegangen, hätte man wahrscheinlich ein ganz anderes Spiel bekommen.

Intensiver Schlagabtausch

Was danach kam, war ein völlig ausgeglichenes Spiel mit guten und schlechten Ballbesitzen für beide Teams. Sehr hohe Intensität bei beiden Mannschaften. Die Türkei konnte sich zwar immer mal wieder um bis zu sechs Punkte absetzen, aber es gelang dem DBB-Team, den Abstand nie abreißen zu lassen.

Turnover waren bei beiden Teams ein Faktor, aber kein alles bestimmender. Schröder mit deren sechs, aber eben auch Larkin und Şengün mit in Summe sieben Stück.

Auffällig war, dass die Türkei ihre Lineups bei weitem nicht so fluide verändert hat – kaderbedingt auch nicht verändern konnte – wie das deutsche Team. Die fehlende Tiefe im türkischen Team sollte noch eine wichtige Rolle im vierten Viertel spielen.

Ein bisschen spiegelte sich der Verlauf des ersten Viertels, flächendeckend über die zweite Hälfte, bis hinein ins dritte Viertel: Türkei mit sehr guter Defense, aber manchmal etwas zu biederen Offensivaktionen. Mit mehr Zeit auf der Uhr auch deutlich größeren Lücken in der Defense, bedingt durch fehlende Variabilität in jener.

Die deutsche Mannschaft konnte ihrerseits die Boards viel besser kontrollieren, als man vorher annehmen durfte. Das war auch ganz wichtig, damit man nicht zu viele offensive Possessions an die Türkei abgab.

Dem DBB-Team seinerseits konnte man förmlich beim „Decodieren“ der türkischen Defense zuschauen. Es wurden sehr flexible und sich ständig verändernde Offensivkonzepte genutzt, um so die Türkei mürbe zu spielen.

Wagners Overall-Offense und das Shooting von Bonga, Obst und Da Silva von außen sind hier exponiert zu nennen. Schröder zu doppeln oder ihm Penetrations nehmen zu wollen, ging auf Dauer überhaupt nicht auf. Immer wieder konnte der DBB-Kader erfolgreiche offensive Ballbesitze gestalten und konsequent die türkischen Defensivkonzepte bestrafen.

Diese offensiven Ballbesitze wurden immer wieder durch verschiedenste Formen der Offense erreicht. Diese permanenten Wechsel im offensiven Stil, das ständige Stresstesten der türkischen Defense durch viel variables Playmaking legten die Grundlage für die letzten fünf Minuten dieses Spiels.




Been there, done that! – Been there? Done that?

Rein fachlich könnte man das Spiel auf folgende Dinge verkürzen:
Die türkische Mannschaft hat zwar eine effiziente, aber auch limitierte Spielweise – gerade auch defensiv. Vor allem durch fehlende Tiefe auf den Guard- und Flügelpositionen.

Teils auch wegen Atamans Coachingstil.

Er lässt das, was man kann, als Kader hocheffizient spielen. Ist aber teils „bieder“, wenn man es negativ konnotiert ausdrücken möchte. Man kann es auch positiv besetzen, indem man festhält, dass Ataman lieber das, was man kann, gut spielen lassen möchte, anstatt Dinge auszutesten, die man weniger qualitativ ausführen würde.

Das in Kombination mit dem ermüdenden Blending-Stil der deutschen Offense raubt einem über die Dauer eines Spiels nun mal die letzten paar Körner – zu bemerken in den letzten fünf Minuten des Spiels. Mental und physisch.

Davor die nötigen Variationen einzustreuen, war nicht möglich in den Lineups. Nicht jedes Team ist so tief wie die DBB-Auswahl.

Spätestens als man anerkennen musste, dass ständig freie Leute am Perimeter – in Form von vor allem Bonga, aber auch Obst, Da Silva, als auch in der Crunchtime Theis – einen maximal bestrafen konnten, man dann Schröder mehr Penetration-Lanes einräumen musste, war das Spiel im Grunde so gut wie entschieden.

Nichtsdestotrotz muss die deutsche Mannschaft auch erstmal diese Masse an High-Clutch-Würfen treffen.

In den letzten vier Minuten hatte das DBB-Team sechs hochgradig wichtige Würfe – plus zwei Freiwürfe. Jeder dieser offensiven Ballbesitze hätte das Spiel sofort kippen lassen können, wenn man sie nicht wenigstens hochprozentig in der Mehrzahl nutzt. Es wurden aber einfach mal alle verwandelt.

Parallel musste man eine gute Defense hinlegen, weil die Türkei alles tat, nur eben nicht lockerließ.

Dreier, Midrange-Würfe, Penetrations für Layups und Dunks, Freiwürfe – die Streuung an Wurfarten, in denen man qualitativ hochwertig abschließen konnte, ist beeindruckend gewesen. Man konnte quasi einmal quer durchs Basketball-Lehrbuch bestehen.

Nun, das wäre die rein fachliche Ebene. Man hat die Hauptaufgabe des Reboundings bravourös gelöst. Defensiv die Aufgaben solide bis exzellent gelöst. Offensiv mit wirklich exponiert zu nennender Intelligenz und vor allem Präzision dazu beigetragen, die starke türkische Mannschaft niederzuringen.

Ferner muss man aber auch unbedingt beachten, dass die DBB-Mannschaft mittlerweile im mentalen Bereich einfach zur Welt-Elite gehört. Die Türkei war nicht auf dem gleichen Level, was diese „Big Game, Big Moment“-Qualitäten angeht.

Wie auch? Es war das erste Finale seit langer Zeit für die Türkei. Bis auf Larkin nicht unbedingt mit Veteranen besetzt, auch wenn allesamt gestandene Spieler sind.

Die DBB-Auswahl hingegen ist seit der WM nun in mehreren dieser Momente gewesen – fast immer mit dem besseren Ausgang für sich, außer zwei Situationen bei Olympia 2024. Jene großen Spiele und Momente hätten kaum größer und unterm Strich anspruchsvoller sein können.

Diese Qualität, in dem Moment des größten Drucks so abgezockt und abgeklärt aufzutreten – das ist etwas, dass sich Champions erarbeitet haben. Verdienen mussten. Und beeindruckenderweise auch jungen Talenten wie Da Silva anscheinend vermitteln konnten.

Natürlich ist da auch die Tiefe des DBB-Kaders ein Faktor. Und auch wenn man auf einige wichtige Spieler verzichten musste, die in der Zukunft ein Faktor sein können, stehen zusätzlich einige Talente in den Startlöchern.

So sehr man den Spielern einen Großteil zurechnen darf und muss, so sehr sollte man festhalten, dass diese ganzen Faktoren und Zahnräder, die im Finale so hervorragend ineinandergreifen, nicht aus dem luftleeren Raum oder nur einer vermeintlichen schieren Übermacht des Kaders entstanden.

Nein, das ist ein Ergebnis harter Arbeit des Kaders – und eben des Coaching-Staffs. Die Aufgaben, derer man sich vor dem Finale auch bewusst gewesen sein muss konnte man nicht nur alle bewältigen. Nein unterm Strich wurden sie sogar mit Bravour gelöst. Trotz knappen Ausgangs. Gegen ein starken Gegner.







Die Krieger-Löwen aus dem Hause des Alex Mumbru!


Auch wenn es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal um die DBB-DNA gehen muss, auch welche Chancen und Herausforderungen mittelfristig anstehen. Auch wenn man sich natürlich der Mannschaft an sich exponiert widmen darf und sollte.

So sehr muss man aber auch über die Leistungen vorrangig von Alex Mumbru, aber eben auch Alan Ibrahimagic sprechen.

Alex Mumbru hat dieser mittlerweile erfahrenen und vermeintlich „ausentwickelten“ Mannschaft zusätzliche Impulse geben können – eine klare Handschrift verpasst.

Das ist eine erstaunliche Leistung, weil erfahrene Mannschaften meist eine Identität gefunden haben, bei ihr bleiben, sie vielleicht noch vertiefen und kultivieren – aber eher selten um weitere, komplett neue Ebenen erweitern.

Coach Mumbru hat richtig erkannt, dass die Verletzung von Moritz Wagner nebst Absage von Hartenstein einen Tweak in der Grundausrichtung des Teams begünstigte – wenn nicht sogar schlicht notwendig machte. Man kann aus DBB-Sicht nur dankbar sein, dass er frühzeitig diese Richtung eingeschlagen hat.

Ja, die recht kompromisslose Ausrichtung auf puren Speed aus den Vorbereitungsspielen wurde im Turnier in der Defense etwas zurückgefahren.

Auch wenn man immer den Eindruck hatte, dass dieses DBB-Team jederzeit zwischen Hedging, Switching, FC Press, HC Press, Trap, Drop Coverage und Zonenkonzepten hätte hin und her wechseln können.

Dieses Team ist hochgradig intelligent veranlagt und kann mittlerweile sowohl offensiv als auch defensiv auf unzählige Seiten im Playbook zurückgreifen. Das hat neben den Spielern massiv mit dem Coaching zu tun.

Spätestens durch die Verletzung von Voigtmann waren genau diese neuen Details enorm wichtig für das Team. Theis, Thiemann und vor allem im Finale allen voran Bonga haben defensiv tatsächlich ein Konzept gefunden, um fehlende Grundphysis und Länge mehr als wettmachen zu können.

Auch gegen – und das war die große Frage vorab – einen „der“ Problemfälle. Derer gab es einige vorab: Valančiūnas. Jokić. Şengün. Giannis Antetokounmpo.

Diese Frage stand die ganze Zeit im Raum: Wie kann – oder besser noch – sollte eine Defense aussehen gegen solche Behemoths an Big Men?

Was hat man für Lösungen parat, wenn man in Foultrouble gerät bei den wenigen Big Men im eigenen Team? Voigtmann war da einfach eine zu wichtige Komponente, um für Gegner unangenehme Physis und Länge in der Hinterhand zu haben.

Dass Theis, Bonga und Thiemann physisch spielen können und „virtuelle Länge“ besitzen durch ihr starkes Hustle-Play, wusste man. Auch dass sie offensiv einige erstaunlich oft übersehene Qualitäten haben.

So wirkungsvoll fluide Rotationen mit gut verteilten Lineup-Minuten von allen dreien sind.

So schwer fiel aber auch der Ausfall von Voigtmann mitten im Turnier ins Gewicht – bedingt durch die Moritz-Wagner-Verletzung und der Absage von Hartenstein, die beide weitere Sicherungen gewesen wären in diesem Kontext.

Obgleich man mit Kratzer noch jemanden im Kader hatte, den man durchaus auch hätte bringen können – in einem gewissen Rahmen.

„Ab Dienstag ist dann aber auch wieder Schule, ne“
– Alan Ibrahimagic. Coach. …und anscheinend unterschätzter Poet?

Unterm Strich waren die Aufgaben für den Coaching-Staff eine große Prüfung: die richtigen Schlüsse zu ziehen, diese dann mit realistischen, kritischen Feedbackschleifen abzurunden – das ist schon mal keine einfache Aufgabe.

Dann noch kurz vor Turnierbeginn so einen gesundheitlichen Nackenschlag wegzustecken. Ein ganz empfindlicher Zeitpunkt und mehr als ungünstige Konstellation.

Hiernach noch aus dem Krankenhaus kommend, wortwörtlich wie ein Löwe mit sich und seinem Körper kämpfend, dann noch SO uneitel vom „aktiven“ Part des Headcoachings zurückzutreten und im „Next Man-Up“ Stil, das Heft des Handelns zu übergeben. Sich parallel dennoch in den Details dahinter einzubringen.

Das ist eine wahnsinnige Geschichte. Das ist dieses Holz aus dem Champions geschnitzt sind.

Gleiches trifft auch auf Alan Ibrahimagic zu. Das mag alles „leicht“ klingen für den Laien – als müsste man nur etwas „fort“führen oder „aus“führen. Der aktive Part des Headcoachings ist mitnichten so trivial.

Man muss in der Hitze des Momentes kühlen Kopf bewahren, alle Optionen überblicken, Entscheidungen treffen – unabhängig davon, ob Roster-Auswahl und Playbook 1:1 den eigenen Vorstellungen und der Philosophie entsprechen. Das kann divergieren in so einer Situation. Also muss man auch dort blitzschnell adaptieren, falls es Unterschiede gegeben haben sollte.

Man muss Druck machen. Druck nehmen. Sich nicht beeindrucken lassen vom Moment. Egal, ob es gerade gut oder auch mal schlechter läuft. Charaktere managen können. Mit Statistiken und Lineup-Optionen im (Hinter-)Kopf die sekundenaktuelle Situation spiegeln und eruieren können was man gerade brauch als Team.

Alleine das Substitutionsintervall-Management ist bei einem solch tiefen Team eine Herkulesaufgabe. Je tiefer und variabler ein Team besetzt und vor allem geskillt ist, desto anspruchsvoller ist es, dieses als Acting Head Coach final mit Leben zu füllen – mit Entscheidungen.

Es verwundert bei der Vita von Ibrahimagic wenig, dass er diese äußerst komplexe Aufgabe bewältigen konnte. Dieser Mann ist DBB-Coaching-Fachkultur durch und durch. Diverse Verantwortungen und Erfolge quer durch alle möglichen U-Mannschaften des DBB sprechen für sich.

Er steht förmlich für die DBB-DNA, der fachlich im Coaching exzellent aufgestellt ist. Uneitel direkt nach dem Turnier glaubhaft den Gang in die sogenannte zweite Reihe angekündigt hat – auch wenn es bei dieser DBB-Mannschaft keine zweite Reihe gibt. Das ist gelebte flache Hierarchie – OHNE dabei notwendige, temporäre Hierarchie vermissen zu lassen.

Sein RTL-Interview direkt nach dem Titelgewinn spricht Bände. Während man mit Tränen in den Augen (guilty… wir wollen ja ehrlich sein) diesem zuhört, und ein recht gefasster Ibrahimagic nüchtern den Erfolg benickt – also wirklich nur ein Nicken –, kommt auf einmal der Satz:

„Ab Dienstag ist dann aber auch wieder Schule, ne.“

Das ist genau dieser trockene, sympathische Humor, der den deutschen Basketball eben AUCH zu dem macht, was er heute ist:

Mad Sexy!

Unsere Turniermannschaft ist einfach mad sexy.

Punkt.