Ein Hauch von Sexy

Der deutschen Männer-Nationalmannschaft glückt die Generalprobe für die Europameisterschaft. Im zweiten Testspiel gegen Spanien zeigt die Mumbru-Truppe ihre beste Leistung der Vorbereitung.

Eine Sportstätte als sexy zu bezeichnen, mag architektonisch wahrscheinlich nicht die passende Umschreibung sein, beim Kölner Henkelmännchen könnte man aber eine Ausnahme machen. Nicht nur auf Grund der auffälligen Bauweise der LANXESS arena oder ihrem Status als größter Zuschauermagnet für ein Basketball-Event Deutschlands (und der Lieblingshalle Dennis Schröders für ein Länderspiel), die Wurzeln dafür, dass deutscher Basketball wieder verdammt sexy ist, liegen in Köln.

Dort fand vor knapp drei Jahren die Heim-EM statt, auf ein Basketballfest in der Vorrunde folgte die Bronzemedaille in Berlin – die erste Medaille für eine Männer-Nationalmannschaft seit 17 Jahren, der Startschuss für einen Boom samt WM-Gold als Gipfel. Der daraus resultierende Slogan „German basketball is mad sexy“ hat sich längst im kollektiven Basketballgedächtnis verfestigt und strahlt auch auf den deutschen Frauen- und Nachwuchs-Basketball. Doch wie sexy war der deutsche Basketball eigentlich in der EM-Vorbereitung?

„Zum Ende hin wieder sehr sexy“, meinte Andi Obst nach dem 95:78-Erfolg über Spanien im letzten EM-Vorbereitungsspiel in Köln vor 18.517 Zuschauern, dem wohl besten der sechs Testspiele, von denen die DBB-Auswahl fünf gewonnen hat. „Auch Sexy“, antwortete Johannes Thiemann nicht ganz so euphorisch, weil auch mit leicht selbstkritischem Ton: „Aber man muss dazu sagen: Es ist ein neues System, an das wir uns gewöhnen müssen. Deswegen haben wir vielleicht mehr Fehler gemacht als in den vergangenen Vorbereitungen. Aber wir haben mittlerweile eine Konstante hereinbekommen: Wir spielen immer besser und flüssiger, das sieht schon ganz gut aus.“

Davon konnte sich auch Dirk Nowitzki zu Beginn ein Bild machen. Der deutschen Basketball-Legende war zum Auftaktspiel der Heim-EM 2022 die Ehre zuteil geworden, dass sein DBB-Trikot unter die Hallendecke gezogen wurde, nun saß der große Blonde erneut in der ersten Reihe – zusammen mit Mithat Demirel, Patrick Femerling, Marko Pesic, Sven Schultze und Denis Wucherer, also genau der Hälfte des 2005er DBB-Teams, das EM-Silber gewonnen hat … und auf dem Weg dorthin im Halbfinale ausgerechnet den jetzigen Gegner Spanien ausgeschaltet hatte, bei dem ein gewisser Alex Mumbru Teil des Kaders war.

Was Nowitzki im ersten Viertel sah? Ein deutsches Team, das Mumbrus Philosophie der aggressiven Verteidigung samt Transition-Fokus stark beherzigte. Doch auch im Halbfeld lief es flüssiger als zum Großteil der bisherigen Vorbereitung, Franz Wagner kompensierte seinen wackeligen Distanzwurf (3/24 Dreier vor dem Spanien-Spiel) mit hoher Aggressivität beim Drive. Auf 20:11 hatte sich das Team nach sechseinhalb Minuten abgesetzt, 12:0 Punkte nach Fastbreaks hatte die Mumbru-Truppe im ersten Viertel erzielt und fünf Ballverluste forciert. „Das war unser bestes Spiel der Vorbereitung“, machte auch Wagner deutlich. „Wir haben zwar teilweise die Energie verloren, das aber wieder korrigiert.“

Franz Wagner und Dennis Schröder waren perfekt aus dem Zweier-Bereich.

„Zwei der besten Driver des Turniers“: Schröder und Wagner übernehmen

So zog das DBB-Team bereits nach knapp zwölf Minuten auf 18 Zähler Differenz davon, kurz vor der Pause betrug der Vorsprung 16 Punkte. Bereits im Hinspiel in Madrid war Spanien wieder zurückgekommen, dort hatte die Scariolo-Truppe das DBB-Team mit einer 3-2-Zone entnervt, die sie auch in Köln einstreute. Das Korrektiv der deutschen Auswahl? Erneut eine starke Crunchtime, wie schon im Heimspiel gegen Slowenien in Mannheim. Dort hatte das DBB-Team die Partie mit einem 17:3-Lauf beendet, gegen Spanien entschied die Mumbru-Truppe das Spiel mit einem 12:0-Lauf für sich.

„Wir sind immer in der Lage, einen Gang hochzuschalten. Wir sind sehr competitive und ernst mit uns selbst“, sagte Obst, der in dieser Drangphase einen Dreier einnetzte. Den Wettbewerbsgeist zeigten vor allem Dennis Schröder und Franz Wagner, die auch emotional bereits im Turniermodus waren. Wagner ließ auf den Obst-Dreier zwei Korbleger folgen, Schröder zwei Dreier. 29 Punkte und sechs Rebounds standen am Ende für Wagner im Boxscore, 22 Zähler und neun Assists für Schröder, zusammen leisteten sie sich keinen Fehlwurf aus dem Zweier-Bereich (Wagner: 8/8 2P, Schröder: 3/3 2P). „Wir haben zwei der besten Driver des Turniers“, ist sich Johannes Voigtmann sicher.

Diese Aggressivität brachte Wagner zudem elfmal an die Linie. „Er ist sehr stark und sehr stabil, er hat eine gute Beinarbeit und verzögert sehr gut“, fasst Obst Wagners Spiel zusammen. „Und hat eine sehr gute Größe, um sich durchzuangeln und mit seinen langen Armen abzuschließen.“

Isaac Bonga war der konstanteste deutsche Spieler der EM-Vorbereitung.

„Isaac hat sich krass entwickelt“: Bonga als Schweizer Schlüsselmesser

Die Drangphase wurde derweil von Isaac Bonga eingeläutet. Schon in Madrid war der Forward ein Unruheherd am Brett, in Köln flog Bonga zum Putback ein und war im Gegenzug mit einer starken Defensivaktion zur Stelle. Während einige Spieler in der Vorbereitung mit Blessuren und Krankheiten zu kämpfen hatten, andere ihren Rhythmus suchten, war Bonga der konstanteste deutsche Spieler.

„Er kann alles und macht alles: Offensiv wirft er die Dreier, geht zum Korb und kann im Post spielen, er verteidigt alle Positionen, holt Rebounds – er ist wie ein Schweizer Taschenmesser“, hatte Obst einen weiteren Scouting-Report parat, auf den Thiemann anschloss: „Isaac hat sich krass entwickelt“, blickte der Big Man von der Heim-EM 2022 auf die EM-Vorbereitung 2025. „Defensiv ist er wahrscheinlich unser bester Spieler, er kann jede Position verteidigen. Aber auch offensiv bringt er unserem Team enorm viel: Er kann gut werfen, er kann für sich selbst kreieren, er ist unglaublich gut in der Transition – er ist so vielseitig, er ist einer unserer Schlüsselspieler.“

Bongas Vielseitigkeit erlaubt Alex Mumbru auch viele Lineup-Möglichkeiten, welche er in der EM-Vorbereitung ausschöpfte: 20 bis 24 verschiedene Lineups nutzte der Bundestrainer in den letzten fünf EM-Testspielen, Bonga lief dabei von der Drei bis zur Fünf auf, den Großteil seiner Minuten sah er in Smallball-Formationen aber auf der Vier.

Plus/Minus-Stats des DBB-Teams in der EM-Vorbereitung (ohne das erste Slowenien-Spiel):Schröder+Franz: +34 in 106:39 MinutenSchröder ohne Franz: -14 in 35:06 Minuten Franz ohne Schröder: +14 in 28:34 Minuten ohne Schröder/Franz: -16 in 34:41 Minuten

Manuel Baraniak (@manuel-baraniak.bsky.social) 2025-08-24T10:14:46.042Z

EM-Rotation zeichnet sich ab

Doch wird Bonga auch bei der EM dort den Großteil seiner Minuten sehen? Denn nach Tampere wird die DBB-Auswahl mit fünf Big Men reisen: Mumbru entschied sich sowohl für Oscar da Silva als auch für Leon Kratzer, Nelson Weidemann war der letzte gecuttete Spieler – obwohl in David Krämer ein Guard fehlen wird, im DBB-Team also nur vier etatmäßige Backcourt-Spieler zu finden sind.

Krämer hatte sich in der Vorbereitung eine Adduktorenblessur zugezogen, Mumbru setzte die Verletzung nach dem Spiel in der Mixed Zone aber in Anführungszeichen. „Unsere Ärzte sagen, dass er in einer Woche wieder spielen könnte, aber sein Club [Real Madrid] und Sergio Scariolo wollen kein Risiko eingehen und haben keine Freigabe erteilt“, erklärte der Bundestrainer. So fehlt der DBB-Mannschaft ihre aktuell wohl potenteste Bankmikrowelle, die etwaige Wurfprobleme hätte beheben können. „Das ist ein schlechtes Timing, das tut uns sehr weh“, findet auch Andi Obst. „Es tut mir auch persönlich für ihn leid, er ist mein kleiner Splash-Bruder. Er hätte es verdient gehabt, dabei zu sein.“

So schickte Mumbru im letzten Test alle möglichen Backcourt-Konstellationen aufs Parkett und erweiterte diese sogar mit Tristan da Silva auf der Zwei, der Ende des ersten Viertels mit Franz Wagner das Flügelduo bildete. Mumbru hatte bei 1:52 Minuten zum ersten Mal in der EM-Vorbereitung Franz Wagner für Dennis Schröder eingewechselt, ein Indiz, dass er die Minuten der beiden Anführer doch staggern könnte.

„Für mich besteht ein Team aus zwölf Spielern, nicht aus zwei. Es ist nicht Franz, Dennis und der Rest, es ist ein Team“, hatte Mumbru im basketball.de-Interview vor den beiden Spanien-Spielen hierzu noch gesagt. „Wenn Franz und Dennis mal nicht auf dem Feld stehen, brauchen wir einfach Spieler, die genauso aktiv sind.“ Doch bis auf die letzten 1:29 Minuten, als die Partie schon entscheiden war, gab es keine einzige Phase, in der sowohl Schröder als auch Wagner auf der Bank saßen. Schröder/Wagner-lose Minuten hatte Mumbru in der EM-Vorbereitung bereits schrittweise reduziert (12:40 Minuten im zweiten Test gegen Slowenien, 9:42 Minuten gegen die Türkei, 7:08 Minuten gegen Serbien, 4:16 Minuten im ersten Test gegen Spanien, 1:29 Minuten im zweiten Test gegen Spanien) – eine gute Gratwanderung zwischen Experimenten, Spieler- und Lineup-Evaluation und Rotationsfindung.

In der so starken Crunchtime ließ Mumbru derweil klein spielen – was sich durch die EM-Vorbereitung zieht. Eine Lineup aus Dennis Schröder, Andi Obst, Franz Wagner, Isaac Bonga und einem der Bigs aus Daniel Theis, Johannes Thiemann und Johannes Voigtmann zeichnet sich als Crunchtime-Lineup ab.

Ein paar Fragezeichen bleiben

Thiemann kam derweil nur zu einem Kurzeinsatz von knapp fünf Minuten, eine zuvor abgesprochene „Vorsichtsmaßnahme“, wie der Big Man erklärte, da er in Madrid auf die Hüfte gefallen war. Auf den großen Positionen hat ein DBB-Bundestrainer seit ein paar Jahren eigentlich die Qual der Wahl, doch in dieser EM-Vorbereitung quälte sich so mancher Big. Keiner der fünf etatmäßigen Großen hatte während der Vorbereitung nicht mit Blessuren oder Krankheiten zu kämpfen. Vielleicht wollte Mumbru auch deshalb so viele Big Men mit nach Finnland nehmen.

Für Kratzer persönlich ist es die erste Teilnahme bei einem großen Turnier, nachdem er seit 2022 immer gecuttet worden war. „Es freut mich für ihn, dass er mitfährt“, sagte Thiemann. „Er ist ein Big Body und unser einzig nominelle Center, der nur um das Brett spielt. Er ist aber dennoch smart und kann passen. Er hat eine physische Präsenz, die uns bei dem ein oder anderen Matchup sehr helfen wird.“

Auch Mumbru hatte vor den letzten beiden EM-Testspielen bereits erklärt, dass es „wichtig ist, so einen Spieler im Team zu haben.“ Nichtsdestotrotz bleiben auch auf den großen Positionen Fragezeichen, zumal der eigentlich so wichtige Daniel Theis sein Profil als Rim-Runner und Ringbeschützer noch nicht überzeugend präsentieren konnte.

Auch Johannes Voigtmann sieht immer noch Verbesserungspotential: „Die Abstimmung in der Defensive ist manchmal nicht gut genug, in der Rückwärtsbewegung haben wir manchmal etwas Probleme“, fand der Big Man eine Schwachstelle in der Verteidigung – wie auch in der Offensive: „Wir wollen sehr schnell spielen, da müssen wir sichergehen, dass wir es nicht übertreiben.“ Für Voigtmann, der individuell eine ähnlich gute Formkurve in der Vorbereitung gezeigt hat wie das Kollektiv, sind das dennoch nur „Kleinigkeiten“.

„German basketball is mad sexy“? Aktuell muss man das „mad“ sicherlich streichen, doch auch wenn er „nur“ sexy ist, bleibt das deutsche Team ein Medaillenkandidat, der in einem potentiellen Endspiel gegen Serbien um EM-Gold kämpfen könnte.