„Sweet Franz“ Wagner in der Summer League
Franz Wagner hat seine ersten Spiele für die Orlando Magic bestritten. Was lässt sich von seinen vier Einsätzen in der NBA Summer League mitnehmen? Die Videoanalyse blickt defensiv auf Switch-Potential und offensiv auf Off-Ball-Stärken.
Für Franz Wagner stand nach dem NBA-Draft weniger ein Social-Media-Unterricht an als der Summer-League-Zirkus. Elf Tage, nachdem die Orlando Magic den 19-jährigen Flügelspieler an achter Stelle gezogen hatten, stand Wagner in Las Vegas das erste Mal für die Magic auf dem Parkett. Inmitten dieser Phase hatten sich die Magic mit Franz‘ großem Bruder Moritz auf eine Vertragsverlängerung geeinigt. Ob der nach den Auftritten seines kleinen Bruders, pardon, kommenden Mitspielers auch ein „Jesus …“ übrig hatte?
Franz Wagner lief in vier der fünf Partien Orlandos in der NBA Summer League auf, allesamt als Starter mit einer durchschnittlichen Einsatz von 21,5 Minuten. Seine Stats dabei: 8,0 Punkte – bei 44,8 Prozent aus dem Feld, 15,4 Prozent von Downtown und 66,7 Prozent von der Freiwurflinie –, 3,8 Rebounds, 1,0 Assists, 1,3 Steals und 1,8 Ballverluste pro Partie. Was sich hinter den Zahlen verbirgt? Ein Spieler, der offensiv zwar keinen Rhythmus von außen aufbauen konnte, dafür aber ballabseits überzeugte, und der defensiv als Power Forward auflaufend mal überpowert wurde, aber sein Switch-Potential andeutete.
„Er weiß, wie man spielt“, fasste es NBATV-Experte und Hall of Fame Isiah Thomas während der Partie gegen die Houston Rockets zusammen. „Er hat zwar ein paar einfache Würfe vergeben – aber der Fakt, dass er zu solchen einfachen Würfen gekommen ist“, sei das Entscheidende. Wenn die NBA-Saison startet, so Thomas, werden die dann auch fallen.
Thomas äußerte sich so nach einer Aktion Wagners Ende des zweiten Viertels. Der Forward startete ein Set-Play Orlandos in der Ecke, rotierte beim Entry-Pass zur Birne nach oben, als würde er einen Flare-Screen stellen. Doch Wagner stellte diesen Block nicht, cuttete stattdessen in die Zone und legte nach dem Pass von Jannis Timma per Reverse-Layup ein.
Offense: mit Stärken ballabseits
Diese Aktion war eine Blaupause für Wagners Offensivspiel in Las Vegas: die Bereitschaft, ballabseits Blöcke zu stellen, Screens aber auch nur anzudeuten und diese zu slippen, um sich stattdessen ballabseits gut zu bewegen und anspielbereit zu zeigen. Und am Korb mit einer guten Körperbeherrschung beidhändig abzuschließen.
„Er ist großartig darin, abseits des Balls zu agieren. Das ist eine Sache: Wenn du spielen kannst, ohne den Ball zu haben, dann kannst du überall spielen“, stellte Magic-Aufbau Cole Anthony eine Stärke Wagners heraus.
Wagner agierte offensiv häufig mit angetäuschten Blöcken, sogenannten Ghost-Screens. In einem HORNS-Spielzug kam er dabei zum Ball, rotierte Richtung Weakside-Flügel, ohne einen Ball-Screen gestellt zu haben, und nutzte dort einen Flare-Screen.
Wagner agierte auch deswegen als Blocksteller (am Ball), weil er für die Magic in der Summer League fast ausschließlich auf der Vier agierte. Mitunter mimte er in Smallball-Formationen sogar den Center. Ob dies in der regulären Saison so bleiben oder ob Wagner auch häufiger auf der Drei agieren wird, bleibt abzuwarten. Schließlich waren in Las Vegas mit Sophomore-Aufbau Cole Anthony, Rookie-Guard Jalen Suggs und Sophomore-Flügel R.J. Hampton drei maximal 21 Jahre alte Spieler dabei, die viele Minuten abrissen und denen die Zukunft in Orlando gehören soll – wie auch Franz Wagner. Aus der Big-Men-Rotation der Magic, also Spielern mit garantiertem Vertrag, lief keiner in Las Vegas auf.
Folgendes Video zeigt weitere Aktionen Wagners, wenn er im Pick-and-Roll als Blocksteller agiert hat: sei es als Back-Screener, wieder per Slip oder per Pick-and-Pop.
Der letzte Wurf Wagners war, wie so viele zum Start in die Summer League, zu kurz. Seinen Rhythmus von außen fand Wagner in Las Vegas nicht, trotz teils sehr offener Würfe. Nur zwei seiner 13 Distanzwürfe versenkte der Rookie.
In der NCAA hatte sich Wagner von 31,1 in seinem ersten auf 34,3 Prozent in seinem zweiten Jahr gesteigert, auch seine Freiwurfquote (83,5% FT) deutet das Potential eines guten Schützen an. „Es wird wirklich wichtig sein, wie ich meinen Wurf in der kommenden Saison treffe. In der vergangenen Spielzeit habe ich zu inkonstant geworfen“, gesteht Wagner selbst ein.
Statt im Catch-and-Shoot versuchte sich Wagner im Las Vegas auch häufig im Catch-and-Drive. Dort zeigte er eine gute Fußarbeit – vom Antritt über seine langen Schritte beim Drive hin zum Eurostep in der Zone.
Bei diesen Aktionen agierte Wagner entscheidungsschnell. Mit Blick auf seine Erfahrungen in der Summer League, gegen Spieler auf NBA-Niveau, musste Wagner anerkennen: „Die Spieler sind athletischer, Entscheidungen müssen demnach schneller getroffen werden. Daran muss ich definitiv [arbeiten]: Wenn ich den Ball bekomme, muss ich bereit sein, entweder zu werfen oder direkt eine Entscheidung nach dem Catch zu treffen.“
So war auch zu beobachten, wie Wagner nach dem Catch weniger schnell antrat, als vielmehr in eine Postup-Bewegung überzugehen und dort mit Spin-Moves zu operieren ebenso wie aus einer Aktion aus dem Face-up zu agieren. Dort präsentierte sich Wagner aber nicht sehr abschlussstark.
Defense: mit Switch-Potential
„Stärker zu werden“, dort sieht Wagner auch eine Notwendigkeit hinsichtlich seiner Rookie-Saison – die viral gehenden Vorher-Nachher-Photos aus seiner Michigan-Zeit hin oder her. Ab und an überpowert wurde Wagner auch defensiv, wenn seine Gegenspieler nach Drives den Kontakt mit dem Magic-Rookie suchten oder wenn Evan Mobley direkt im ersten Angriff das Post-up im Duell der Lottery-Picks forcierte.
In der ersten Aktion des vorherigen Videos hatte Wagner gegen Jonathan Kuminga das Nachsehen, in einem weiteren Matchup gegen einen anderen und etwas höher gezogenen Lottery-Pick. Im Lauf der Partie gegen Golden State kam Wagner aber besser mit Kuminga zurecht, antizipierte dessen Drives und hielt ihn vor sich. Eine Entwicklung, die man Wagner auch generell in der Summer League attestieren kann.
Nach dem Erfolg gegen die Warriors stellte der neue Magic-Coach Jamahl Mosley Wagners „Fähigkeit zu switchen und die Bereitschaft, zu verteidigen“, heraus. In Las Vegas sah man Wagner in der Tat sehr häufig switchen. In der ersten Aktion des folgenden Videos wechselt Wagner gleich zweimal hintereinander nach den Hand-Offs auf einen neuen Gegenspieler. Auch wenn der Dreier über Wagner saß, der Flügelspieler wusste solche Würfe zumindest zu contesten.
Hin und wieder gab es Abstimmungsschwierigkeiten in der Pick-and-Roll-Defense. So ist Wagner in der zweiten Aktion einfach falsch positioniert, um auf den Ballhandler zu wechseln. Mit einer tiefen Verteidigungsposition, wie in der dritten Aktion, bewies Wagner aber auch schnelle Hände.
Ausblick auf Franz Wagners Rookie-Saison
Letztendlich hat Franz Wagner sicherlich keinen auffälligen Auftritt in Las Vegas hingelegt. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass er nach seinem zweiten Jahr in der NCAA fast ein halbes Jahr keinen kompetitiven Fünf-gegen-Fünf-Basketball gespielt hatte. Offensiv fiel Wagners Rolle bei den Magic relativ gering aus, Ballhandler wie Cole Anthony oder Jalen Suggs forcierten mehr.
Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit Wagner mit dem Start seiner Rookie-Saison wirklich so häufig als Big Man auflaufen wird. Selbst aus dem Dribbling zu kreieren, das konnte Wagner in der Summer League selten zeigen.
Seine Bewegungen ballabseits, sein Gespür für die richtigen Rotationen und Cuts, seine smoothen Bewegungsabläufe dürfen derweil positiv herausgestellt werden. Je nachdem, mit welchem Defensivsystem die Magic über die Hauptrunde operieren werden, könnte Wagner in der Teamdefense Orlandos auch eine wichtige Rolle spielen.
„Ich versuche, so komplett zu sein wie ich kann“, sieht Franz Wagner selbst seine Rolle als Allrounder. Gut möglich, dass Wagner auch deshalb in seiner Premierensaison in der NBA keine großen Zahlen auflegen wird. Die Magic besitzen zudem einen enorm jungen Kader, in dem elf der 14 Spieler nicht mehr als eine dreijährige NBA-Erfahrung aufweisen. Mit der Entwicklung jener Youngster werden auch Fehler einhergehen. Eine Situation, die nicht einfach für einen Spieler sein mag, der seine Stärken als Allrounder, Rollenspieler oder Glue-Guy haben dürfte.
Derweil stellt Teamkollege Cole Anthony neben Wagners Off-Ball-Stärke zudem heraus: „Er ist 2,05 Meter, kann werfen, kann passen – er hat eine Menge Potential.“ Anthony traut Wagner zu, „eine sehr erfolgreiche“ Karriere hinzulegen. Vielleicht nennt der Magic-Aufbau den Rookie mit einem Augenzwinkern deshalb auch nur „Sweet Franz“ …