Jannis Neumann: „Es ist surreal, damit sein Geld zu verdienen“
Jannis Neumann ist der nächste deutsche Basketballer in Dallas. Nicht auf dem Parkett mit Ball, sondern auf dem Sessel mit Controller. Der 22-Jährige ist seit kurzem eSports-Profi in der NBA 2K League.
Die Saison der Mavs ist vorbei, doch die Saison der Mavs hat gerade erst begonnen. Nicht die der Dallas Mavericks, sondern die von Mavs Gaming. Mittendrin: Jannis Neumann, 22 Jahre, gebürtig aus dem beschaulichen Dinslaken, jetzt im „Big D“ in Texas.
Jannis ist seit kurzem professioneller NBA 2K-Spieler für das eSports-Team der Dallas Mavericks. Die Texaner sind eine von 17 NBA-Franchises, die mit ihrem eigenen eSports-Team auf dem virtuellen Parkett der NBA 2K League aufläuft. Am 11. Mai hat die erste Saison begonnen, Neumann wurde im Draft Anfang April an erster Stelle der dritten Runde gezogen. Nach ein paar Schwierigkeiten mit dem Visum ist Neumann seit dem 1. Mai in den USA.
Wohnung mit Gyms, ein eigener Mental Coach
Dort lebt Jannis mit seinen fünf 2K-Mitspielern sowie dem Coach zusammen, erzählt der 19-Jährige in einer Medienrunde am Mittwochabend. In einem alten Büro der Mavericks untergebracht, scheint es den 2K-Spielern an nichts zu fehlen: Es gibt mehrere Büros sowie Video- und Filmräume für das virtuelle Arbeiten, aber auch zwei Fitnessstudios und einen Basketballplatz für die Arbeit am eigenen Leib. Täglich steht von zehn bis 12 Uhr ein Workout-Programm an.
Klingt professionell? Die 2K-Spieler bekommen von den Mavericks sogar einen Mental Coach gestellt, der mit ihnen Entspannungs- und Atemübungen durchgeht und ihnen die richtige Einstellung vermitteln will.
In Dallas sei der eSports eh größer als in anderen Städten mit NBA-Teams, macht Jannis ein großes Interesse der Leute vor Ort aus: „Hier wird man auch schnell mal erkannt. Das ist uns in den letzten Tagen öfter passiert, als wir uns Essen geholt haben.“ Profis eben, denen ein Sechs-Monats-Vertrag immerhin 32.000 Dollar einbringt. Zudem wird bei drei Turnieren während der Saison sowie in den Playoffs ein Preisgeld von insgesamt einer Millionen Dollar ausgeschüttet.
Das erste dieser Turniere findet nach der vierten Saisonwoche statt. Bis jetzt haben Jannis und Co. drei Partien absolviert, von denen sie zwei gewonnen haben. Wie es sich für ein Videospiel gehört, zockt Jannis natürlich unter einem Pseudonym: „JLB“ ist ein Big Man, der als Seven-Footer über einen guten Distanzwurf verfügt (kommt einem in Dallas bekannt vor) und die Nummer 32 trägt.
Wie ein reales Basketballteam entwickelt auch Mavs Gaming vor Duellen einen Gameplan, denkt sich Plays aus oder lässt sich von College- und NBA-Teams inspirieren und seziert nach Partien per Videoanalyse das eigene Spiel. Und wie auf dem realen Parkett gibt es natürlich auch erst recht im virtuellen Spiel Poster-Dunks.
„Der Trash-Talk in der Liga ist riesig“
Ein Unterschied zu Jannis‘ bisheriger 2K-Laufbahn ist, dass in der 2K League nicht mit selbst erstellten Figuren gespielt wird. „Jede Position hat eingeschränkte Spielcharaktere mit festgelegter Größe und festgelegtem Gewicht“, erklärt Jannis. Das sei er auch von der Qualifikation, dem NBA 2K Combine gewöhnt gewesen. So ist die größte Umstellung eine ganz banale:
„Man ist es gewöhnt, zuhause alleine auf der Couch zu spielen. Jetzt sitzen dir die Gegner gegenüber. Das erste Mal hatte ich das letztes Jahr bei der Europameisterschaft erlebt. Das war eine Riesen Umstellung, vor dem ersten Spiel war ich nervös.“
Für die Ligaspiele fliegen die Teams nach New York, wo das zentrale Ligastudio gelegen ist. Dort duellieren sich die eSports-Teams von Angesicht zu Angesicht. „Der Trash Talk in unserer Liga ist riesig. Da sind wir mit am stärksten dabei – speziell mit Dayfri, der während der Spiele sehr viel redet.“
„Ich war nie der große Gamer“
Vor eineinhalb Jahren war nicht daran zu denken, dass Jannis in Dallas in einer professionellen eSports-Liga zocken und damit seinen Lebensunterhalt bestreiten würde. „Es ist echt etwas surreal, damit sein Geld zu verdienen“, reflektiert Jannis. Vor kurzem arbeitete er noch neun Stunden am Tag im Hotel, danach „habe ich geschaut, ob ich Zeit oder Lust habe, 2K zu spielen. Das kam natürlich erst an zweiter oder dritter Stelle. Und jetzt gehe ich nicht zur Arbeit, sondern spiele 2K. Das ist riesig.“
Für Jannis ging alles ganz schnell: Im Dezember 2016 hatte er sich mit seinem Team für die EM qualifiziert, die sie im darauffolgenden Januar gewannen. Einen Monat später wurde bekannt, dass die NBA mit 2K eine eSports-Liga gründen würde. „Da habe ich gleich gewusst, dass ich eine Chance haben könnte und das Ganze versuchen will.“ Zu Beginn standen 72.000 Bewerber zur Auswahl. Nach 40 Spielen folgten Evaluationen und der Combine, woraus 250 Top-Kandidaten übrig blieben. Nach persönlichen Gesprächen standen letztlich 102 Spieler fest, die dann im Draft ausgewählt wurden.
Für Jannis hat sich bezahlt gemacht, dass er sich auf ein Spiel spezialisiert hat. 2010 hatte er mit 2K angefangen; schon damals bestand eine Liebe für Basketball, an der Konsole wie auch auf dem Freiplatz. Um die Jahre 2013, 2014 herum begann er wegen der Dallas Mavericks und Dirk Nowitzki, Basketball stärker zu verfolgen. „2K war das einzige Spiel, das ich eigentlich gespielt habe, ab und an mal FIFA“, blickt Jannis zurück und fügt an: „Ich war nie der große Gamer“. Der es aber jetzt zu einem eSports-Profi geschafft hat.
„Vielleicht gründet die BBL auch eine 2K-Liga“
In Deutschland ist man da noch nicht so weit. Dennoch sieht Jannis in seiner Heimat ein großes Potential, unter anderem wegen der weltgrößten Computer- und Videospielmesse gamescom.
Und natürlich bekommt Jannis auch mit, was in der Basketball-Gaming-Szene Deutschlands passiert. Ende des vergangenen Jahres gingen die FRAPORT SKYLINERS als erster deutscher Profi-Club mit einem professionellen eSports-Basketball-Team an den Start. „Als ich noch in Deutschland war, habe ich von Anfang jede Woche die Streams der Frankfurter verfolgt – super amüsant. Ich habe auch mal versucht, gegen sie zu spielen“, blickt Jannis zurück.
Wegen seines neuen Jobs und der Zeitumstellung sei es jetzt natürlich schwierig, doch dass der FC Bayern München auf Frankfurt folgen wird, bliebt Jannis natürlich nicht verborgen. „Dass Bayern einsteigt, ist riesig. Bayern ist eine ganz andere Liga. Ich kann mir vorstellen, dass auch andere Top-Clubs einsteigen wollen – vielleicht auch außerhalb Deutschlands. Und vielleicht gründet die BBL auch eine Liga.“
Ob dies passieren wird und wann das eintreten könnte, bleibt abzuwarten. Doch sowohl der Fall der NBA 2K League als auch das Beispiel Jannis Neumann zeigen, wie rasant die Entwicklung im eSports-Bereich ist. Ein Fastbreak in doppelter Hinsicht.
Alle Spiele der NBA 2K League werden auf Twitch gestreamt.