NBA Preview #1 – Atlanta Hawks – Ice Cold oder Ice Trae? Fragen über Fragen.

Die Zeiten, in denen man den Atlanta Hawks einen Dark Horse Status in der NBA oder zumindest der Eastern Conference zurechnen konnte, sind vorerst vorbei. Oder vielleicht doch nicht?


NBA Season Preview #1 – Atlanta Hawks – Ice Cold oder Ice Trae? Fragen über Fragen.

Es gab eine Zeit, in der man vor der Tiefe der Hawks wirklich einen gewissen Respekt haben musste. Sowohl offensiv als auch defensiv wurden Fragen gestellt, die man als Gegner dieses Teams durchaus erstmal beantworten musste. Die Frage, ob das Backcourt Duo Trae Young und Dejounte Murray zusammen harmonieren können, wurde nun in der Offseason vom Atlanta Front Office beantwortet … und verneint. Ob dieser Versuch die Picks wert war, die man unterm Strich verloren hat in beiden Trades rund um Murray, ist eine Frage der Zukunft.

Die Frage der Gegenwart, ob man Trae Young eine Rückkehr zu seinen besten Playoff Performances als „Ice Trae“ zutraut, ist die viel interessantere Frage. Der Play-In Auftritt gegen die Bulls lässt da durchaus Zweifel zu. Ja das Perimeter Shooting ist letzte Saison wieder etwas besser geworden bei Young aber die Court Control war, zumindest in diesem entscheidenden Spiel, weit weg von dem, was man Young zugutehalten konnte oder als Kritiker auch musste, in der Vergangenheit.

Die Variante den anderen Weg zu gehen und um Murray herum zu retoolen, indem man die durchaus reichlich vorhandenen, potentiellen Tradepieces plus Young auf den Markt wirft, wurde verworfen. Oder vielleicht gar nicht in Betracht gezogen. Vielleicht gibt es auch schlicht keine hohen Angebote für einen undersized Point Guard ohne Defense und einem „Star – Selbstverständnis“.

Dejounte Murray in Atlanta war zwar sicherlich weit weg von den, teils interstellar Performances in San Antonio aber dennoch kann man mit Fug und Recht auch mal hinterfragen, ob der defensiv stärkere, weitaus seriösere Point Guard nicht doch auch eine Wegroute für die Franchise aus Georgia hätte werden können.


One step forward. Two steps back. Three steps forward.


Atlanta krankt in ihrem recht kleinen Markt auch schnell mal unter schwindenden Hallenbesucherzahlen und sieht sich in einem schwierigen Umfeld gegen andere Sportarten und Franchises der Stadt. Nun dies ist nichts ungewöhnliches und in anderen Städten auch an der Tagesordnung. Aber allein und auch an dieser Entscheidung kann man exemplarisch einen Atlanta-typischen roten Faden wiedererkennen.

Die richtigen Schlüsse werden gezogen in der Analyse. In die richtige Richtung wird gedacht und teils gegangen. Aber dann fehlt ab einem Punkt einfach die Entschlossenheit diesen Weg auch konsequent zu Ende zu gehen. John Collins zu traden war die richtige Idee. Aber zu spät umgesetzt. Das Duo Young und Murray aufzulösen war die richtige Idee. Aber vielleicht mit der falschen Wahl in der Abzweigung.

Das darf man natürlich nicht auf alles beziehen und wir spielen in der NBA auch kein NBA 2K mit forced Trades. Der Markt in der echten NBA ist fluide, durchaus dominiert von kurzfristigen Nöten und immer in einem Spannungsfeld zwischen sportlichen und wirtschaftlichen Zielen zu verstehen.

Wenn du John Collins abgeben willst, ist es ein leichtes, rückblickend zu hinterfragen, ob der Preis bei einem früheren Deal nicht viel höher hätte ausfallen können und dem restlichen Kern um Young herum, besser hätte helfen können. Sicherlich spielten auch immer Hoffnungen, in den bestehenden Core des Rosters, eine Rolle, warum man hier und da rückblickend zu zögerlich gehandelt hat.

Zögerlichkeit oder auch besser ausgedrückt Überlegtheit, die aber wiederum gefehlt hat beim nun recht teuren Murray Abenteuer, das man mit voller Pulle eingegangen ist. Vielleicht wären die Ressourcen, die dabei letztlich verbrannt wurden, woanders besser aufgehoben gewesen? Vielleicht mag die Entscheidung der Franchise auf den „local“ Star Young, der sich eine gewisse Fanbase erarbeitet hat in Atlanta, zu setzen, wirtschaftlich nachvollziehbar sein. Gerade im Markt Atlanta. Aber auch hier kann man, wie bei so vielen Dingen rund um die Hawks, mehr Fragen als Antworten reinlesen.

Bei den Wings, der momentan vielleicht wichtigsten Rosterposition der modernen NBA, wird seit einiger Zeit stets eine recht kluge Personalpolitik betrieben in Atlanta. Bogdanovich, Hunter, Bey, Jalen Johnson und ja selbst Collins in Teilen seines Spiels. Das hat(te) schon alles weitestgehend Hand und Fuß, eine klare Richtung erkennbar. Warum also passt es nie so richtig? Mal abgesehen von stagnierenden Entwicklungen wie zum Beispiel bei Hunter oder Bey?


Lieber den Spatz in der Hand als den Adler auf dem Dach?

Ein Point Guard eines Teams muss viel mehr sein als eine Bedrohung vom Perimeter. Ein guter Pick and Roll Handler. Optional ein guter Verteidiger. Die Frage aller Fragen ist nicht, ob Trae Young im Halfcourt Game wieder so ein eiskalter Killer sein kann, wie er es oft zum Erstaunen vieler Kritiker bewiesen hat. Dann wo es drauf ankommt. In den Playoffs.

Sondern ob er die weiteren Stärken des Teams, die er im Grunde durchgehend vorfindet, zum Vorschein bringen kann. Ob er nicht nur „Star“ sein „will“ sondern vor allem mal ein Anführer sein KANN. Grade seine Court Control hatte in der Vergangenheit zumindest die Chance glaubhaft gemacht, dass er dies auch auf den Rest des Teams übertragen kann und ihnen ermöglicht, ihren Part dabei abzurufen. Auch wenn das mal bedeutet nicht Option 1 zu sein. Denn die Option 1 eines echten Contenders zu sein, wirkt schlicht und ergreifend etwas zu groß als Rolle für Young.

Es ist geradezu ironisch, dass eine Franchise, die den Namen HAWKS trägt, getreu dem Motto „lieber einen Spatz in der Hand als…“ den Adler auf dem Dach handelt. Vor allem wenn es hart auf hart kommt.




Mehr Fragen als Antworten? Keine Optionen?


Ist damit Atlanta völlig way out of anything für die mittelbare Zukunft? Natürlich nicht. Im Sport muss es auch von Wert sein (für Fans. Für Medien.), wenn man eben den ganz großen Wurf zwar nicht hinbekommt, aber ein gutes, seriöses und zielstrebiges Erfolgsteam auf kleinerer Ebene ist. Zu dem Teil des Erfolgsteams muss man aber erstmal wieder zurückfinden. Und da stellen sich eine Menge neuer Fragen.

Wir wird sich das junge Talent im Team, rund um Jalen Johnson, Okongwu und Risacher entwickeln? Wie gliedern sich Vets wie Bogdanovich, Hunter und Capela ein in dieser Frage? Bleiben mal alle über längere Zeit und auch vor allem den entscheidenden Phasen der Saison gesund? Werden Vets ungeduldig und möchten woanders eine Chance auf einen Titel wahrnehmen? Was bieten Contender für die Fülle an interessanten Spielern und Verträgen? Hat das Atlanta Front Office eine Idee was man dann mit diesen Ressourcen anstellen könnte? Ist es vielleicht nicht auch eine Idee, mal alle noch etwas reifen zu lassen?

Wir reden hier von teils enorm jungen Menschen und Sportlern. Die sind logischerweise keine fertigen Athleten oder Menschen. Wird zu schnell der Stab gebrochen über proven Spieler wie Capela, der zwar limitiert ist in einigen Bereichen, aber fast immer available, meist verlässlich und in den Playoffs stets seine Rolle routiniert ausgefüllt und teils sogar übererfüllt hat? Auch wenn man in Okongwu einen legitimen Nachfolger sieht und man in der Caphold Management Logik durchaus auch Argumente finden kann Capela natürlich zu traden.

All diese Fragen treffen auf einen roten Faden in Atlantas Front Office, das immer gut genug ist, um sich so eine Fülle an Optionen überhaupt erstmal zu erarbeiten. Aber auch immer dafür gut ist, dann kurz vor knapp dennoch nicht ganz mutig genug zu sein, oder auch schlicht durch Pech in Situationen zu geraten, wo man „zu wenig“ aus allem macht. Oder sich auch profan darüber bewusst ist, dass es zwar für den großen Wurf nicht reichen kann, nicht reichen wird mit Young als Point Guard. Aber am Ende des Tages dennoch ein gutes Endprodukt bieten will. In vollen Hallen.

Trae Youngs größte Frage wird sein:
Ob er nicht nur „Star“ sein „will“, sondern vor allem mal ein Anführer sein KANN. In einem eigentlich gar nicht so schlecht strukturierten Team.

In Atlanta gibt es also eine Menge an Fragen zu beantworten und in einer Saison, wo sie sicherlich nicht völlig abgeschlagen sein dürften, ist es für uns von außen eines der spannenderen Teams. Aber auch nur, um zu sehen wie die Antworten auf zahlreiche Fragen aussehen werden.


Prognose

Good End:
Play In. Maximal Runde 1, dann aber auch schon das Aus im starken Osten.

Bad End:
Lottery. Merkwürdige Trades. Ein vergrätzter, sich überschätzender Trae Young wird ungeduldig. Risachers Entwicklung wird in diesem komplexen Umfeld erschwert.