Dieser Artikel und die Visualisierungen wurden von Ingo Levin produziert. Die Daten werden i.d.R. jeden Montag aktualisiert; der genaue Aktualisierungszeitpunkt kann direkt den interaktiven Grafiken entnommen werden.
Statistiken gehören zum Basketball dazu wie die Butter zum Brot. Aber warum ist das eigentlich so – beim Fußball kommt man ja schließlich auch mit einigen wenigen Rumpf-Zahlen wie Torschüssen, Anzahl der Ecken/ Freistöße oder prozentualem Ballbesitz aus. Nun, es sind vor allem zwei Sachen, die den Boxscore eines Basketballspiels sehr aussagekräftig und interessant machen:
Erstens, im Basketball gibt es eine Reihe separater, messbarer Ereignisse, die auf das Spielgeschehen direkten Einfluss haben und bei jedem Spiel aufgezeichnet werden, wie Anzahl der Wurfversuche aus den verschiedenen Positionen, Trefferanzahl, Rebounds, Ballverluste, Vorlagen und so weiter.
Zweitens, durch die festgelegte Begrenzung der Angriffszeit auf 24 Sekunden ist quasi zwangsläufig sichergestellt, dass eben eine große Anzahl dieser Ereignisse pro Spiel anfällt und somit auch die Stichprobe groß genug ist, um vernünftige Aussagen treffen zu können.
Während, um beim Fußballvergleich zu bleiben, die Anzahl der Ecken und Freistöße oft nur sehr bedingt darüber Auskunft geben kann, wer das Spiel am Ende gewinnen wird oder einfach nur schlicht wer die bessere Mannschaft war, ist beim Basketball aufgrund der vielen Angriffe fast immer das Team mit der besseren Wurfquote der Gewinner. Das hängt mit dem Gesetz der großen Zahlen zusammen, welches im Grunde besagt, dass die Chance auf statistische Ausreißer gen Null geht, je mehr Daten man hat: Wenn jedes Team 70 Chancen hat, auf den gegnerische Korb zu werfen, setzt sich fast immer das bessere Team durch, verglichen mit beispielsweise nur zehn Versuchen. Die Chance auf Außenseitersiege wäre im letzteren Fall deutlich höher.
Allgemeine Begriffserläuterungen
Possessions, Offensive / Defensive / Net Rating
Das zentrale Konzept im Basketball ist die sogenannte „possession“, welches man wohl am besten mit „Ballbesitz“ oder „Angriff haben“ übersetzt. Es gibt immer nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat ein Team eine Possession oder ist in der Verteidigung, welche man häufig auch als „defensive possession“ bezeichnet. Ein Mittelding gibt es nicht. Deshalb haben in einem Spiel auch beide Teams die exakt gleiche Anzahl an Possessions (mit einer maximal möglichen Abweichung von 2, abhängig davon, wer den ersten und letzten Angriff hat). Ziel ist es immer, im Spielverlauf möglichst viele Punkte pro verfügbarer Possession zu erzielen und gleichzeitig möglichst wenig Punkte pro defensiver Possession zu kassieren.
Diese Kennzahlen werden als Offensive (ORtg) und Defensive Rating (DRtg) bezeichnet, oder auch als Offensive / Defensive Efficiency. Wenn man 100 Versuche (also: Possessions) braucht, um 90 Punkte zu erzielen, ist das eine ganz andere Geschichte, als wenn es nur 75 sind. Es ist daher einfach nicht sinnvoll, die beste Offensive bzw. Defensive nur nach den durchschnittlich erzielten bzw. zugelassenen Punkten zu beurteilen.
Die Differenz zwischen den durchschnittlich erzielten und zugelassenen Punkten pro Possession, d.h. ORtg – DRtg, bezeichnet man als Net-Rating. Es ist nicht sonderlich schwierig zu verstehen, dass ein Team umso besser ist, je größer diese Differenz ist. Aus Gründen der Lesbarkeit – wer will schon bei Zahlen bis auf die dritte Kommastelle achten müssen – rechnet man beim Offensive / Defensive / Net-Rating nicht je einzelner Possession, sondern je 100 Possessions.
Berechnung
Zwar könnte man auch am Spielfeldrand mit Stift und Zettel eine Strichliste über die Anzahl der Ballbesitze führen, aber zum Glück lässt sich das auch ziemlich genau aus dem Boxscore ableiten. Es ist nämlich so, dass eine Possession nur durch drei Aktionen enden kann: Wurfversuch, der entweder fällt oder vom Gegner gereboundet wird, eigener Turnover oder Freiwurf.
Da jedoch nicht jeder Freiwurf eine Possession beendet (typischerweise gibt es davon meist zwei an der Zahl), muss man die Freiwurfanzahl noch mit einem Faktor justieren, um zu sehen, wie häufig der Ballbesitz nach einem Freiwurf tatsächlich wechselt. Ginge man immer von zwei Freiwürfen als Paar aus, würde die Possession nach jedem zweiten Freiwurf wechseln, allerdings gibt es auch die Situation des Drei-Punkte-Spiels (nur einen Freiwurf am Stück) und des Fouls beim Dreier (drei Freiwürfe am Stück). Viele kluge Menschen haben viele, viele Spiele en detail analysiert und herausgefunden, dass nach ungefähr 44 Prozent der Freiwürfe auch der Ballbesitz wechselt, daher verwendet man den Faktor 0,44 (manchmal auch 0,4. Aber in der BBL, in der es weniger Nicht-„Zwei-Freiwürfe-am-Stück“-Situationen gibt als in der NBA, wo auch bei technischen Fouls nur ein Freiwurf zugesprochen wird, sollte der Wert sowieso stärker zu 0,5 tendieren).
Daher: Anzahl der Possessions = FGA (Feldwurfversuche) – OREB (Offensiv-Rebounds) + TO (Turnover) + 0,44*FTA (Freiwurfversuche)
Besonders zu beachten ist hierbei, dass nach einem Offensiv-Rebound eben nicht eine neue Possession beginnt, sondern die alte sozusagen am Leben erhalten wird. (1)
Pace
Pace bezeichnet das Tempo eines Spiels und ist nichts anderes als die Anzahl der gespielten Possessions pro Team pro Spiel. Je mehr Angriffe ein Team hat, z.b. durch Run-and-Gun oder viele Ballverluste, desto höher die Pace. Der Topwert der Liga liegt meist um die 80 Possessions / Spiel, während das langsamste Team der Liga typischerweise eine Pace von unter 70 aufweist. Der Ligadurchschnitt in den letzten Jahren hat sich bei ca. 73 Possessions pro Spiel eingependelt.
Eine niedrige Pace ist an sich nicht zwingend schlecht, genauso wenig wie eine hohe Pace nicht automatisch gut ist, aber es charakterisiert ein Spiel bzw. einen Spielstil (Uptempo / Fastbreak vs. Halbfeld-Setplay). Teams, die mit geringer Pace spielen, haben zwangsläufig weniger Wurfversuche, Rebounds, Punkte usw., weil schlicht und ergreifend weniger Möglichkeiten dafür bestehen – nicht notwendigerweise, weil sie schlechter sind.
Wenn Pace sozusagen die „Währung“ beim Analysieren von Basketballzahlen ist, benötigt man auch einen „Wechselkurs“, um Statistiken zweier Teams vergleichen zu können (Dollar- und Euro-Beträge würde man ja auch nicht in einen Topf werfen): „Pace Adjusted“ sagt man dann dazu, wenn man die Team-Statistiken mit dem Faktor Liga-Pace / eigene Pace multipliziert.
Die andere Möglichkeit, Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, wäre über Quoten. Man könnte zum Beispiel die Anzahl der Dreierversuche durch die Gesamtanzahl aller Feldwurfversuche teilen, um den prozentualen Anteil der Dreier an der Gesamtwurfanzahl zu berechnen und diesen Prozentsatz anstatt nur der Wurfversuche als Vergleichswert nutzen. Oder auch die Anzahl der Dreier pro 100 Possessions gäbe ebenfalls Aufschluss über deren relativer Häufigkeit.
Die Daten
1. Offensive / Defensive / Net Rating – Überblick
Diese Grafik (2) stellt das aktuelle Offensive (y-Achse), Defensive Rating (x-Achse) und Net Rating (Größe der Kreise) je Team dar. Je weiter oben rechts sich ein Team im Quadrant befindet und je größer der Kreis (= Net-Rating, die Differenz zwischen erzielten und zugelassenen Punkten pro Possession), desto besser.
2. Offensive / Defensive / Net Rating – Monatsübersicht
Hier wird die offensive und defensive Performance der einzelnen Teams über bisher gespielten Monate hinweg dargestellt. Je dunkler das grün, desto besser das Offensive Rating; je dunkler das rot, desto schlechter das Defensive Rating. Überschreitet die rote Linie die grüne, bedeutet es, dass das Team in jenem Monat unter dem Strich mehr Punkte pro Possession zugelassen als es selbst erzielt hat. Im ersten Monat ist hier entsprechend noch keine Trendlinie zu sehen, aber im Laufe der Saison wird sich der Verlauf ablesen lassen.
3. Pace – Übersicht und Trend
Diese Grafik beschäftigt sich mit der Pace, dem durchschnittlichen Tempo mit dem die jeweiligen Teams spielen.
Im unteren Teil ist der Verlauf der jeweiligen Paces der Teams als gleitender Drei-Spiele-Durchschnitt dargstellt. Wie einleitend beschrieben, ist die Anzahl der Possessions immer gleich für beide Teams in einem Spiel (+/- 2). Damit ist die Pace eines einzelnen Spiels eben nicht nur die Entscheidung von Team A, sondern zur Hälfte auch abhängig von der Spielweise Team Bs. So können auch langsame Teams schon einmal ein Spiel von 85 Possessions haben, wenn sie gegen Hagen ins Feld zogen. Um nicht eine wild hin- und herspringende, am Ende vollkommen unübersichtliche Fieberkurve zu erhalten, wird in der Grafik deshalb jeweils der gleitende Durchschnitt der letzten x Spiele gezeigt. Mithilfe des Schiebers kann man die Perioden, über die der Durchschnitt gebildet wird, anpassen: je größer die Zahl der Perioden, desto glatter die Kurve; je weniger Perioden, desto mehr Ausschläge
4. Eigene Punkte vs. gegnerische Punkte
Hier sind die erzielten und kassierten Punkte je Team im Saisonverlauf dargestellt, ebenfalls als gleitender Drei-Spiele-Durchschnitt (die Anzahl der Perioden kann durch den Regler wieder angepasst werden). Mithilfe der Pfeile links und recht neben den Teamnamen navigiert man jeweils zum nächsten bzw. vorherigen Team.
5. Rebounding
Rebound-Quoten beschreiben, wieviel Prozent der verfügbaren Rebounds ein Team eingesammelt hat und – im Gegensatz zur simplen Anzahl der Rebounds pro Spiel, welche stark von einzelnen Faktoren in einem gegebenen Spiel abhängt wie z.B. der Anzahl der Fehlwürfe – schaffen damit einen gemeinsamen Nenner für bessere Vergleichbarkeit. Die verfügbaren Rebounds am eigenen Brett sind jeweils die eigenen Defensiv-Rebounds plus die Offensiv-Rebounds, die ein Team dem Gegner überlassen hat. Holt ein Team 20 Defensiv-Rebounds, lässt aber auch zehn gegnerische Offensiv-Rebounds zu, dann hat es eine (äußerst schwache) DREB% von 67% (20/30).
Analog dazu beschreibt die Offensivquote den Anteil der verfügbaren Offensiv-Rebounds (eigene OREBs + gegnerische DREBs), die ein Team einsammelt.
6. Wurfauswahl
Hier ist die Wurfauswahl der verschiedenen Teams dargestellt. Der obere Bereich gibt prozentual wieder, wieviele Dreier, Zweier (aufgeteilt in Mitteldistanz und Nahdistanz) und Gänge zur Freiwurflinie ein Team sich durchschnittlich erspielt. Im unteren Bereich ist die Wurfverteilung nicht mehr prozentual, sondern in absoluten Zahlen der Wurfversuche (FGA) pro Spiel dargestellt (nicht pace-adjusted).
7. Wurfquoten (%) – Monatsübersicht
Hier sind die Wurfquoten der Teams im Monatsverlauf dargestellt. Zum einen gibt es die traditionellen Quoten FG% (Quote aller Würfe aus dem Feld), FG2% (Wurfquote aus dem Zwei-Punkte-Bereich), FG3% (Wurfquote von der 3er-Linie) sowie der Freiwurfquote FT%. Die FG% wird gemeinhin am häufigsten verwendet, bewertet man die Wurfeffizienz eines Teams, aber sie hat einen entscheidenden Nachteil: Sie gewichtet alle Feldwürfe gleich, d.h. verworfene Dreier „kosten“ genauso viel wie verworfene Zweier, obwohl man ihnen eigentlich auch den um 50 Prozent höheren Ertrag gegenüberstellen müsste (3 vs. 2 Punkte auf dem Konto).
Die effektive FG% (eFG%) beseitigt diesen Makel, indem sie getroffene Dreier gemäß ihres tatsächlichen Werts ebenfalls um 50 Prozent höher gewichtet und damit ein akkurateres Bild über die Scoring-Effizienz bietet.
Will man jetzt auch noch die Performance von der Freiwurfline mit einbeziehen und somit ein komplettes, gewichtetes Bild von der Wurfeffizienz erhalten, verwendet man die True-Shooting-Quote (TS%).
Die jeweiligen Formeln sind am unteren Ende der Grafik nachzulesen; die jeweiligen Rohdaten erhält man als Tooltip, wenn man der Maus über die Prozentzahlen fährt. Die Farbgebung eines Teams (d.h. eine gesamte Reihe hat immer die gleiche Farbe) ist abgestuft nach der TS% der jeweiligen Mannschaft – von tiefrot für die schlechtesten, bis hin zu tiefgrün für die besten. Mithilfe der verschiedenen Filter auf der rechten Seite kann man Monat, Wettbewerb, Team und Gegner eingrenzen und das Ganze etwas übersichtlicher gestalten.
8. Gegnerische Wurfquoten (%) – Monatsübersicht
Ähnlich wie in vorheriger Grafik werden hier Wurfquoten dargestellt – allerdings diejenigen, die ein Team jeweils durch den Gegner zulässt.
(1) Das wird recht häufig von Kommentatoren (besonders im Englischen) verdreht, wo man nach einem OREB oft „extra possession“ hört, was technisch gesehen nicht stimmt. Im Deutschen spricht man meist von „zweiten Wurfchancen“, was es genau trifft. Das liegt ganz sicher nicht daran, dass deutsche Basketball-Kommentatoren sonderlich mehr Ahnung haben, sondern eher daran, dass der Begriff „Ballbesitz“ sowieso eigentlich nie verwendet wird und man so gar nicht erst in die Verlegenheit kommen kann.
(2) Sämtliche Grafiken sind interaktiv, d.h. man kann mit der Maus über die jeweiligen Punkte fahren, um weitere Informationen zu erhalten. Man kann Teams durch Anklicken hervorheben oder man kann per Filter die Statistiken z.B. nach Monat oder Team eingrenzen.