Christian Standhardinger: „Zu 90 Prozent spiele ich in Asien“

basketball.de: Wie sieht deine Zukunft bezüglich der Vereinsebene auf? Nach deinen drei Jahren in Deutschland, zuletzt bei RASTA Vechta, mit zwei All-Star-Nominierungen wird es sicherlich viele Interessenten aus der BBL gegeben haben.

Christian Standhardinger: Zu 90 Prozent wird es in Richtung Asien gehen. Es gab viele Interessenten aus der BBL, aber ich bin ganz ehrlich: Keiner war bereit, mir das zu bezahlen, was ich denke, ich verdiene. In Asien haben sie mehr bezahlt – das war ein No-Brainer. Durch den philippinischen Pass kann ich in vielen Ligen auch als „naturalisierter“ Spieler spielen, quasi wie ein Ami-Deutscher. Ein großer deutscher Vierer ist in Asien nichts besonders, ein großer asiatischer Vierer dagegen schon.

Wo siehst du dich denn mittelfristig? Willst du erstmal länger im Ausland bleiben?

Ich will da sein, wo die Umstände am besten sind, wo ich denke, dass ich wertgeschätzt werde und wo ich weiß, dass die Leute mich wollen. (überlegt) Ach, ich will gar nicht übers Finanzielle reden. Wobei mich das schon nervt. Es gibt viele Teams, die dir erklären wollen: „indem du in dem oder dem Wettbewerb spielst, kannst du dich neu beweisen. Und dann kannst du beweisen, dass du ein guter Spieler bist.“ Ich weiß, dass ich mich jeden Tag beweisen muss. Aber die Zeit ist einfach vorbei, in der ich eine Möglichkeit suche, mich zu beweisen und dabei weniger Geld nehme.

Ich bin 28 Jahre alt und werde nicht mehr so lange spielen. Wenn mich ein Team wirklich will, dann hat es genug Spiele, in denen ich performt habe, um sich ein Bild von mir zu machen. Wenn ich jetzt noch nicht deine Standards erfüllt habe, dann werde ich sie wohl auch in Zukunft nicht erfüllen. Wenn ich sie erfüllt habe, solltest du nicht sagen, dass ich mich beweisen muss.

Du willst dich einfach nicht unter Wert verkaufen. Die Zeit eines Profisportlers ist begrenzt. Da ist es ganz legitim, in dieser Zeit darauf zu schauen, das nötige Geld zu machen.

Ich habe im professionellen Sport gelernt: Sei dir im Klaren, was dein Wert ist, und verlange diesen auch. Dieser ganze Bullshit von wegen „hey, du kannst dich jetzt beweisen“ oder „du kriegst weniger, aber dafür geben wir dir mehr Spielzeit“ führt nur dazu, dass du in der Saison unglücklich bist. Meistens gibt es eine direkte Verbindung zwischen der Spielzeit und dem Geld, das du bekommst. Wenn du der bestbezahlteste Spieler bist und deine Arbeit machst, ist es unwahrscheinlich, dass du unter 20 Minuten rausgehst. Wenn du der schlechtbezahlteste Spieler bist und einfach deine Arbeit machst, ist es unwahrscheinlich, dass du über 20 Minuten spielst.

Die Trainer oder GMs sehen nämlich komisch aus, wenn der Boss denkt, „warum spielt denn der so viel, der ein- oder zweitausend Euro im Monat verdient? Und der Amerikaner, der sieben-, acht- oder neuntausend Euro im Monat bekommt, spielt weniger als der? Das kann ja nicht sein. Dann haben wir uns verkalkuliert.“ Kein Mensch möchte zeigen, dass er sich verkalkuliert hat und falsch gelegen ist.

Es gibt wenige Coaches, die sagen, „oh, ich habe jetzt einen deutschen Jugendspieler, der auch wie ein Amerikaner performt, deswegen lasse ich ihn jetzt 30 Minuten spielen“, obwohl er siebentausend Euro im Monat weniger macht. Das machen die wenigsten Coaches, das ist einfach meine Erfahrung. Wenn ich einem Jugendspieler etwas mitgeben könnte, dann ist es folgendes: Sei dir im Klaren, was dein Wert ist und verlange den. Wenn sie dir das nicht geben wollen, dann musst du irgendwo anders hingehen.

Hört man Christian Standhardinger zu, bekommt man den Eindruck, dass er ganz genau versteht, wie Profibasketball funktioniert – und was auch die Schattenseiten des Profisports sind. Standhardinger ist Realist. Und wenn man zwischen den Zeilen hört, Vergleiche zwischen den Philippinen und Deutschland macht, hört man bei ihm die Faszination heraus, Teil einer Mannschaft in einem Land zu sein, bei der Basketball einen so hohen Stellenwert genießt. Ins Schwärmen gerät Standhardinger, wenn es um die Basis des Spiels, um den Nachwuchs geht.

„Sei dir im Klaren, was dein Wert ist – und verlange diesen auch“

Du bist aktuell auf den Philippinen. Du hast am College in den USA gespielt – erst in Nebraska, dann auf Hawaii. Das klingt so, als würdest du Basketball auch gerne nutzen, um etwas von der Welt zu sehen. Täuscht der Eindruck?

Ich denke, viele Basketballspieler, vor allem im Jugendbereich, machen den Fehler, dass sie viel für Basketball aufgeben. Wenn es gut läuft, ist es gut, klar. Aber wenn es schlecht läuft, dann stehen sie ohne Etwas da, weil sie alles für diesen Sport geopfert haben. Ja, ich liebe diesen Sport, und noch mehr liebe ich es, mich mit anderen zu messen. Aber ich habe diesen Sport immer nur als Sprungbrett gesehen.

Ich bin in die USA, konnte mir das Land ansehen und habe mein BWL-Studium ohne zusätzliche Kosten abgeschlossen. Dann bin ich nach Deutschland und habe ein bisschen Geld verdient. Ich habe mir einen kleinen YouTube-Channel, Ballers Club, aufgebaut. Ich konnte die Bücher lesen, die ich lesen wollte, weil ich als Basketballer einfach ein wenig mehr Zeit habe als bei einem Acht-Stunden-Job. Und jetzt bin ich auf den Philippinen, kann auch meine Mutter glücklich machen und stolz für die Philippinen spielen, während ich dabei coole Ballers-Club-Videos auf den Philippinen mache. Jetzt können mich die Leute in Asien sehen. In Asien verdiene ich dann hoffentlich einen besseren Vertrag. Und hoffentlich habe ich irgendwann so viel verdient, dass ich mir meine Freiheit erkaufen konnte. Solange das gegeben ist, ist alles gut. Basketball ist für mich ein Sprungbrett. Wenn Basketball nicht mehr wäre, wüsste ich, was ich tun würde. Aber vielleicht würde es dann einfach ein wenig länger dauern, bis ich eine finanzielle Unabhängigkeit erreicht habe.

„Ich könnte eine Halle füllen mit den Leuten, die sich meine Videos ansehen“

Du sprichst deinen YouTube-Channel an, den Ballers Club. Erkläre mal, was es damit auf sich hat.

Ballers Club ist momentan einer der erfolgreichsten Basketball-Channel Deutschlands. Wir sind bei bescheidenen 5.000 Abonnenten, aber wir haben die Community. Jedes Video wird ungefähr 10.000 Mal angesehen – ich könnte also eine Halle füllen mit den Leuten, die sich die Videos ansehen. Es läuft sehr gut, wir wachsen sehr schnell. Darauf bin ich natürlich stolz. Ich habe einfach einen Channel gegründet, weil ich den deutschen Jugendspielern meine Erfahrungen mit auf dem Weg geben will. Ich weiß, welche Moves funktionieren, was im Spiel funktioniert, was nicht funktioniert.

Die Jungs in Deutschland kommen einfach zu kurz und haben es schwer, sich zu etablieren. Das ging mir schon immer ans Herz. Basketball kommt in Deutschland zu kurz: Basketball kommt in Deutschland im Fernsehen zu kurz, Basketball kommt in der Jugendförderung von deutschen jungen Talenten zu kurz, und deutsche Talente kommen in Sachen Spielzeit zu kurz. Ich denke, das Konzept, dass du mit sechs Amerikanern spielen kannst und sechs Deutsche hast, von denen zwei Amerikaner mit deutschem Pass sind… das macht ja überhaupt keinen Sinn. Da passen wir nicht auf uns auf. Da kommt der deutsche Jungendspieler einfach zu kurz.

Das einzige, was ich mit dem YouTube-Channel bewirken will, ist, deutschsprachigen jungen Menschen, die Basketball lieben, guten Content zu liefern und den deutschen Spielern ein paar Tipps zu geben, um sich wirklich zu verbessern und sich vielleicht auch in der ersten Bundesliga durchzusetzen.

Bevor du von der NBBL ans College gewechselt bist, gab es ja die derzeitige 6+6-Regelung noch gar nicht und noch mehr ausländische Spieler standen in den BBL-Kadern. Oft spricht man von der verlorenen Generation durch die Aufhebung der Ausländerbeschränkung. Ist das vielleicht ein Grund, warum du jetzt was für die Jugendspieler machen willst, weil sie zu deiner Zeit nicht gepusht wurden…

Ja, es wurde nichts gepusht. Den Spielern, die sich jetzt durchgesetzt haben, muss man wirklich Respekt zollen. Es ist klar, dass ein Spieler, der in Deutschland aufgewachsen ist und 18 Jahre alt ist, nicht besser spielen wird als ein 25-jähriger Amerikaner. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Es geht darum, dass die Fans Spaß haben. Natürlich wollen die Fans Dunks und Show, aber wenn du zum Beispiel nur zwei Amerikaner hättest, dann wären ja die Amerikaner automatisch besser, weil du ja nur zwei haben könntest und dementsprechend in die Tasche greifen könntest. Und die würden dir dann spektakuläre Plays liefern, die die Leute auch in die Halle bringen. Und dann hast du natürlich auch ein Team, mit dem man sich identifizieren kann. Die Fans wollen ja auch mit dir reden, Unterschriften und eine Connection aufbauen. Das ist natürlich schwierig, wenn man nicht die Sprache sprechen kann. Der Identifikationswert geht irgendwie verloren.

Die jungen Spieler in Deutschland kommen einfach zu kurz – das ging mir schon immer ans Herz“

Du hast angesprochen, dass der Basketball zu kurz komme, auch im Fernsehen. Ist das Internet nicht dann der einzige Weg?

Pass auf: Ich war im Einkaufszentrum in Berlin. Ein junger Mann ist zu mir gekommen und wollte unbedingt ein Photo haben. Ich meinte, „ja, natürlich“. Ich dachte, der kennt mich einfach von der ersten Bundesliga. Dann sagt er, „du machst so geile Videos“. Ich habe 5.000 Abonnenten, und der junge Mann hat mich nicht erkannt, weil ich zweifacher Allstar in der ersten Liga und ProA-MVP bin, sondern weil ich einen YouTube-Channel habe. Kannst du dir das vorstellen?!

Wer unterstützt dich bei den Videos beim Ballers Club eigentlich?

Ich bin verantwortlich für den Channel, werde aber noch unterstützt von Robert Zinn – der spielt in Tübingen und hat noch viel vor sich – und Alex Bangula. Der ist ein professioneller YouTuber mit seinen zwei Channel Mr. Helfersyndrom und Elektrisiert und über 130.000 Abonnenten. Er ist ein Streetballer und mit Herzblut dabei. Das sind beide korrekte Typen und meine besten Freunde. Ich mag es, ein Projekt zu haben, das einem am Herzen liegt, und bei dem man mit Leuten arbeitet, die einem am Herzen liegen. Es ist ein Spaß – ich glaube, das sehen die Leute auch, sonst würde der Channel nicht so wachsen. Man sieht einfach, dass wir Spaß dran haben, uns gegenseitig aufzuziehen und Eins-gegen-Eins zu spielen.

Als ich mir ein paar Clips angesehen habe, habe ich den Eindruck von einem Mix aus Tutorials und Entertainment-Faktor samt DIY-Charakter bekommen, was gut zu jungen Leuten passt.

Genau. Anstatt irgendwas etwas Trockenes machen wir was, das dir wirklich hilft in deinem Basketballspiel. Das Ziel ist es, dass wir dich entertainen, während wir gleichzeitig dein Basketballspiel auf das nächste Level bringen. Wenn wir das im Video geschafft haben, dann sind wir zufrieden.

Weißt du schon, wohin du mit Channel willst? Geht es erstmal darum, sich auszuprobieren?

Das Ziel ist es, die jungen Basketballer in Deutschland zu erreichen. Wenn wir diese erreichen, können wir viel Gutes tun. Robert hatte die Idee, dass wir wirkliche Camps anbieten. Wir wissen ganz genau, worauf man achten muss – wir haben beide zigtausend Camps in unserem Leben durchgemacht.

Aber unser erstes Ziel ist es erstmal, den Leuten Spaß zu bringen. Das zweite Ziel ist es, das Basketballspiel von den Leuten zu verbessern. Und das dritte Ziel ist es, eine gewisse Reichweite aufzubauen, womit wir in Zukunft einen Mehrwert für diese Leute aufbauen können. Vielleicht ein ganz weiter Traum, der mir gerade durch den Kopf geschossen ist: Wenn irgendwann einmal ein erfolgreicher Erster-Bundesliga-Spieler sagt, „Ballers Club ist eine coole Sache, denn die haben mich zum Basketball gebracht und von denen habe ich viel gelernt“. Auch wenn es nur Videos sind. Das wäre ein Traum.

Wirst du auch Videos auf den Philippinen machen?

Es geht immer weiter, wir haben derzeit ein Video pro Woche. Wir pushen das jetzt hoch auf zwei Videos pro Woche, weil es so gut läuft. Ich werde auch einen Gameday-Blog machen. Wenn es weiter so gut läuft, werden wir vielleicht noch mehr Zeit hineininvestieren, aber das muss man sehen. Je mehr Menschen man erreicht, desto motivierter ist man ja auch.

Wenn du auf den Philippinen bist und das einige philippinische Fans sehen, wird das deinen Channel mit Sicherheit auch pushen.

Ja, würde es, aber das mache ich gar nicht. Ich bin mir sicher, dass ich 15.000 Abonnenten holen könnte. Aber mir ist die Community wichtig, in denen sich Basketballspieler gegenseitig helfen können. Mir geht es darum, die Community aufzubauen – das kann ich natürlich nicht tun, wenn die Leute nicht Deutsch sprechen können. Der YouTube-Channel ist wirklich für deutschsprachige Basketballer gedacht. Wir wollen die Leute erreichen, die eine Community bilden und die sich gegenseitig helfen können. Es geht mir nicht darum, überall wie wild Abonnenten abzusahnen. Langfristiges Denken gegen kurzfristiges Denken.

Du hast Robert Zinn angesprochen, der dich beim Ballers Club unterstützt. Er selbst hat auch einen YouTube-Channel, WHO’S NEXT, auf dem er deutschen Rappern und Sängern eine Plattform bietet. Wirst du dort auch mal Gast sein und singen oder rappen?

(lacht) Ich habe leider kein musikalisches Talent, sonst würde ich da mit Sicherzeit zu Gast sein. Ich interessiere mich auch nicht wirklich für Rap, das geht leider an mir vorbei. Wenn er jetzt einen Channel aufmachen würde für Selbstentwicklung oder logisches Business-Denken, dann bin ich sofort dabei. 

Selbstentwicklung: ein Begriff, der gut Christian Standhardingers Weg beschreibt – ob als Sportler oder als Mensch, der Basketball als Sprungbrett sieht. Sein Weg nach Asien, nun als Teil der philippinischen Nationalmannschaft, ist sicherlich kein oft beschrittener – umso spannender ist es, diesen Weg weiterzuverfolgen. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert